© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/21 / 29. Oktober 2021

Frisch gepreßt

Zuwandern als Menschenrecht. Donatella Di Cesare lehrt Theoretische Philosophie an der Universität La Sapienza in Rom. Mit der Theorie gibt sich die vor der Emeritierung stehende Professorin des Jahrgangs 1956 allerdings selten zufrieden. Die für mehrere Tageszeitungen schreibende, von ihrem Verlag als eine der „präsentesten und engagiertesten Intellektuellen Italiens und Europas“ gerühmte Dame möchte mit ihren im Stachanow-Akkord produzierten Texten in erster Linie publizistisch in die praktische Politik eingreifen und sie im linksliberalen Sinne steuern, um endlich „die Welt aus den Angeln zu heben“. So wirkt denn auch ihr jüngstes, ihrem Großvater, dem „Anarchisten, Sozialisten und illegalen Einwanderer in die USA“ gewidmetes Pamphlet zum Thema Massenmigration weniger wie eine geistig anspruchsvolle „Philosophie“ denn als Dauerpolemik aus Bullerbü. Zentrale Aussage: Das Recht auf Einwanderung ist „das Menschenrecht des 21. Jahrhunderts“. Es durchzusetzen und jedem „Zugewanderten“ aus dem von starkem Bevölkerungswachstum geprägten Süden vornehmlich in Europa und Nordamerika umgehend das Bürgerrecht zu verleihen, werde darum einen Kampf erfordern, „der demjenigen für die Abschaffung der Sklaverei in nichts nachsteht“. (wm)

Donatella Di Cesare: Philosophie der Migration. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2021, gebunden, 343 Seiten, 26 Euro 





Denken statt fürchten. Der Sachbuch- und Hörfunkautor Ulrich Teusch ist zwar kein Arzt, eine Diagnose stellt er aber trotzdem: Teilen der Gesellschaft attestiert er „politische Angst“. Die Corona-Krise habe damit bei vielen Menschen ein Gefühl ausgelöst, das sich hervorragend – bereits  Machiavelli war sich dessen bewußt – als Mittel eigne, um Herrschaft zu etablieren und zu stabilisieren. Vielen Bürgern sei der repressive Charakter einiger staatlicher Zugriffe während der Pandemie zwar bewußt, dennoch hielten einige diesem Druck nicht stand und ließen sich ängstigen. Diese „politische Angst“ unterhöhle letztlich den Rechtsstaat und gefährde die Demokratie. Zur Abhilfe während der Krise verschreibt Teusch Emotion, Führung und Populismus. Letzterer Begriff werde zu Unrecht abwertend verwendet und könne auch „mit Volksnähe übersetzt“ und als etwas „Ur-Demokratisches“ verstanden werden. Zudem plädiert der habilitierte Politikwissenschaftler dafür, „historisch zu denken“ und verweist auf das konservative Selbstverständnis als „haltende Macht“. Ein gelungener Appell, sich das kritische Denken nicht verbieten zu lassen. (zit)

Ulrich Teusch: Politische Angst. Warum wir uns kritisches Denken nicht verbieten lassen dürfen. Westend Verlag, Frankfurt am Main 2021, broschiert, 160 Seiten, 16 Euro