© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/21 / 29. Oktober 2021

„Die junge Generation zahlt die Zeche!“
Interview: Der Chef des Investment­instituts Index Capital, Andreas Beck, im Gespräch mit JF-Redakteur Mathias Pellack über kommende Krisen, deren Vorhersage und die Kurzsichtigkeit der Jugend
Mathias Pellack

Herr Beck, stehen wir nicht zwingendermaßen vor der nächsten große Krise?

Andreas Beck: Nein. Fehlbepreisungen laufen sich in der Regel aus. Man muß zwei Dinge unterscheiden: Fehlbepreisungen gibt es meist in einem begrenzten Markt, etwa bei den Aktien des Neuen Marktes oder bei Immobilienpreisen einer Region. Wenn so ein Markt zusammenbricht, ist das ein lokales Ereignis. Es ufert erst aus, wenn Bankbilanzen und Risikobudgets der dominanten Investoren in Mitleidenschaft gezogen werden. Wenn dann plötzlich weltweit alle Investoren gleichzeitig ihre Risikopositionen abbauen müssen – ja, dann ist die Hölle los. Erst kommen die Fehlbepreisung und das lokale Streßereignis – wie vielleicht im Moment mit Ever­grande in ­China. Ob dieser lokale Herd sich dann zu einem Flächenbrand ausweitet, hängt sehr davon ab, wer wie reagiert.

China unternimmt alles, um den Zusammenbruch des chinesischen Immobilienkonzerns Ever­grande innerhalb der Grenzen der Volksrepublik abzufedern. Aber in Deutschland und den USA steigen die Immobilienpreise weiter, das viele „frische“ Geld will angelegt werden. Droht hier nicht ein Crash wie 2007/08?

Beck: Es wird ja viel kritisiert, daß der Finanzkapitalismus eine arge Schieflage habe. Es heißt, einzelne Spieler gingen viel zu hohe Risiken ein. Im Erfolgsfall fahren sie die Rendite selbst ein. Doch wenn sie scheitern, wechseln sie, vereinfacht gesprochen, den Arbeitsplatz und tragen den Schaden nicht. Das ist leider so. Aus der Sicht des Steuerzahlers und Kleinanlegers verdeutlicht sich dann plötzlich dramatisch, wie hart hier eigentlich am Wind gesegelt wird. Die Marktteilnehmer sind aber gezwungen, so hart am Wind zu segeln. Die Renditeerwartungen der Investoren sind einfach gewaltig. Es gibt unglaublich viel Liquidität am Markt. Aber die Realwirtschaft ist die Realwirtschaft. Um eben noch Renditeversprechungen abgeben zu können, werden die Verbriefungen und die Wetten immer spekulativer. Wir stehen da sicher nicht vor ruhigen Zeiten.

Der Ökonom Max Otte warnte 2006 in seinem Buch „Der Crash kommt“ detailliert vor dem Platzen der amerikanischen Immobilienblase und deren Folgen für die Weltwirtschaft. Doch in Politik, Wirtschaft und den Leitmedien wurde er weitgehend ignoriert.

Beck: Das Problem mit diesen Vorhersagen ist seit dem Mittelalter das gleiche: Es gibt immer irgendwelche Leute, die irgendwelche Erdbeben, Unwetter oder sonstige Katastrophen vorhersagen. Eine von den unzähligen Vorhersagen trifft halt auch mal ein. Dann scheint es, als gäbe es Menschen, die die Zukunft vorhersehen können. Mir ist aber niemand bekannt, der erfolgreich zwei Krisen vorhergesagt hat. Es scheint also doch mehr Glück als Können zu sein.

Die privaten Ratingagenturen gaben damals den windigen US-Subprime-Papieren Bestnoten. Mit der Lehman-Brothers-Pleite im September 2008 kam der globale Crash mit voller Macht – und er riß auch die Realwirtschaft mit in den Abgrund. Das hat doch detailliert in Ottes Buch gestanden.

Beck: Die Immobilienkrise in den USA ist ein typischer Fall: Daß wir dort eine Blase hatten, war allen bekannt. So wie heute auch bekannt ist, daß wir in Deutschlands Großstädten eine Blase haben. Der Mißbrauch bei den Hypothekenkrediten und den Ratings ist zumindest sehr scharf diskutiert worden. Aber das nützt nichts. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Citigroup sagte noch im Sommer 2007: „Solange die Musik spielt, muß man aufstehen und tanzen. Und wir tanzen noch.“ Es gibt immer etwas, das aus dem Ruder gelaufen ist. Ob es eskaliert, hängt von anschließenden Entscheidungen der Politiker, Bankmanager und vieler anderer ab. Vorherzusagen ist das nicht. Die große Krise 2007 hätte auch ausfallen können, wenn die Notenbanken und andere Marktteilnehmer sich seinerzeit anders verhalten hätten. Die Immobilienpreise stehen in den USA übrigens heute deutlich höher als 2007.

Liegen die „Crashpropheten“ mit ihren Warnungen mittelfristig nicht doch richtig?

Beck: Ja, aber mittelfristig gilt nicht. Es ist eben ein Riesenunterschied, ob es nächstes Jahr zu einem 40‑Prozent-Einbruch am Aktienmarkt kommt oder eben erst in zehn Jahren. Eines weiß man vorher: Es geht danach wieder weiter. Ich höre da oft eine Sehnsucht nach einem finalen Zusammenbruch raus, nach dem wir dann als Gesellschaft wie Phönix aus der Asche aufsteigen – vielleicht mit einem neuen Währungssystem. Das sehe ich ehrlich gesagt überhaupt nicht.

Das wird nicht kommen, sagen Sie?

Beck: Die ganzen Risiken und Gefahren werden immer innerhalb des Systems bedient und sind nicht systemgefährdend.

Falls doch demnächst ein Crash kommt: In welcher Branche könnte der beginnen?

Beck: Schaut man sich die Krisen der letzten zweihundert Jahre an, ist eines schon auffällig: Die Gesellschaften sind am sensibelsten für Krisen am Immobilienmarkt. Dort steckt das wesentliche Vermögen der Allgemeinheit. Dort wird mit den stärksten Kredithebeln gearbeitet. Echte Verwerfungen auf den Immobilienmärkten können langfristig sehr negative Auswirkungen auf ganze Wirtschaftsräume haben. Insofern ist der Immobilienmarkt immer prädestiniert. Wenn jetzt etwa der Kryptomarkt zusammenbräche, würde das wahrscheinlich niemanden groß stören.

Die Tulpenblase in den Niederlanden der 1630er Jahre war auch eine schwere Finanzkrise, obwohl der An- und Verkauf von Tulpenzwiebeln – wie der von Bitcoin und Co. – kein zentraler Markt der Gesellschaft ist.

Beck: Eben, da muß man unterscheiden. Wenn risikobehaftete Assets einbrechen, ist das für viele Anleger schmerzhaft. Aber es ist gesellschaftlich nicht wirklich problematisch. Problematisch wird es, wenn vermeintlich risikoarme Assetklassen einbrechen, wie etwa die Triple‑A-Hypothekenpapiere in der Finanzmarktkrise. Oder wie der drohende Ausfall der italienischen Euro-Staatsanleihen. Da muß man immer genau hinschauen und sich fragen: Wie heiß werden die Reifen eigentlich gefahren? Und wie spekulativ sind vermeintlich arme Anlageklassen? Wenn es Flächenbrände gibt, dann in der Regel aus solchen Anlageklassen.

Der Crash bleibt aus, aber die Inflation zieht deutlich an. Derzeit steht sie laut dem Verbraucherpreisindex bei 5,3 Prozent. Deutschland ist durch den Euro geldpolitisch nicht mehr souverän. Bringt es dann überhaupt noch etwas, wenn Deutschland sich an seine Schuldenregeln hält, wenn die Euro-Partner auf eine lockere Geldpolitik setzen?

Beck: Die Schuldenbremse gibt es schon lange nicht mehr. Also kann man sie auch abschaffen. Man braucht nicht so zu tun, als gäbe es sie noch.

Kürzlich schrieb die FAZ noch, Finanzminister Olaf Scholz erörtere Möglichkeiten, die harten Vorgaben der Schuldenbremse im Grundgesetz aufzuweichen.

Beck: Also mit der Einführung des EU-Wiederaufbaufonds gibt’s keine Grenzen mehr. Jetzt ist alles erlaubt.

Gut, dann brauchen wir sie wiederum auch nicht abzuschaffen. Wir haben sie umgangen und können sie ja als Feigenblatt für unsere Politik nutzen.

Beck: Schauen Sie, was für Probleme, das Geld überhaupt noch auszugeben, selbst die Regierung in Italien kommuniziert. Dann ist die Behauptung, es gebe so was wie Austerität, wie einen Sparzwang, in meinen Augen irreführend.

Geld ist also genug vorhanden. Union, Grüne, die SPD sowie letztlich auch die EU wollen nach den Corona-Milliarden nun Klima-Billionen ausgeben. Jetzt sind Erbschaft- und Vermögensteuer oder eine Immobilienabgabe im Gespräch. Womit rechnen Sie?

Beck: Erstens: Vermögensteuer ist Polemik. Die großen Vermögen sind steuerlich nicht greifbar. Wir haben Kapitalfreiheit. Diese Vermögen sind alle über Kapitalgesellschaften so strukturiert, daß sie sich ihren steuerlichen sowie ihren rechtlichen Sitz aussuchen können. Wo die eigentlichen Erträge generiert werden, ist dabei egal. Ich glaube, die meisten großen Immobilienvermögen, zum Beispiel an Berliner Mehrfamilienhäusern, sitzen in irgendwelchen Briefkastengesellschaften von Zypern bis Luxemburg. Da gibt es Tausende Möglichkeiten, auch große Vermögen schnell dem deutschen Zugriffbereich zu entziehen. Und deswegen würde eine Vermögensteuer immer nur die untere Mittelschicht treffen.

Diejenigen also, die etwas haben, aber nicht so viel, daß sie schnell wegkönnen?

Beck: So ist es. Die großen Vermögen kann man damit nicht erwischen. Und deswegen ärgert mich diese Polemik so. Wollte man das angehen, müßte es international geschehen. Da sehe ich überhaupt keine Initiativen.

Wer die Vermögensteuer fordert, schießt sich also eher ins eigene Bein?

Beck: So kann man das sagen. Zweitens: Nullzinspolitik verbunden mit dieser dramatischen Ausweitung von Schulden ist ja – zumindest für die Gegenwart – kein Problem. Früher hat Deutschland knapp fünf Prozent seines BIP für Zinszahlungen auf die Staatsschulden ausgegeben. Heute sind die Zinsen so niedrig, daß der Bund bei einer höheren Verschuldungsrate weniger als ein Prozent des BIP ausgibt. Der Nullzins bringt die Politik in Partystimmung. Geld spielt keine Rolle. Natürlich muß diese Zeche irgendwann jemand zahlen. Das werden aber die Leute unter vierzig sein.

Die jungen Genrationen, die auf den Straßen für Klimagerechtigkeit demonstrieren?

Beck: Das ist ganz dramatisch. Ab 2025 gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente, die Einkommensteuern werden wegbrechen. Die Kosten für Krankenkassen und den Rentenausgleich werden in die Höhe schnellen. Die Bürokratie wird überfordert sein, weil auch viele Beamte in Rente gehen.

Schlechte Zeiten.

Beck: Wir haben in den letzten fünfzehn Jahren einen so aufgeblähten Bürokratieapparat aufgebaut, die wollen alle versorgt werden. Aber die junge Generation, was macht die jetzt? Die zahlt künftig hohe Abgaben. Heute schon werden die Renten mit über 100 Milliarden Euro im Jahr durch Steuern querfinanziert. Die junge Generation muß die Zeche zahlen! Da kann ich mich nur wundern, warum das den jungen Menschen so egal zu sein scheint. Im Wahlkampf war das kein Thema.

Gut, vielleicht verstehen die jungen Leute nichts von Finanzen. Bildungspolitik soll jetzt aber nicht unser Thema sein. Andere Politiker und Ökonomen fordern keine Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen, sondern gemeinschaftliche Schuldenerlasse. Dahinter steht immer die Angst, Austeritätspolitik könnte in eine Depression münden.

Beck: Zum einen sind alle Staaten hoch verschuldet. Ich übertreibe etwas, aber es ist doch eine große Zahl, unter die auch Deutschland fällt. Ja, das ist eine tolle Idee: Machen wir doch alle einen großen Schuldenschnitt …

Genau, alle werden zu gleichen Teilen entschuldet. Klingt doch super!

Beck: Also eigentlich brauchen wir das nicht mehr. Wenn ich die Zinsen der Schulden auf Null drücke, habe ich die Schulden ja schon massiv entwertet. Ich habe hier einen Schuldenschnitt realisiert. Der Barwert zehnjähriger Bundesanleihen ist bei einer Verzinsung von minus 0,4 Prozent ein Bruchteil von dem Barwert, den Bundesanleihen hatten, als sie noch fünfprozentige Zinscoupons zahlen mußten. Das spüren die Menschen auch schon in ihrer Altersvorsorge. Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen müssen ihre Leistungen senken. Kurz, den Schuldenschnitt gibt es immer in irgendeiner Form. In unserem Fall zahlt die nächste Generation die Zeche über ihre wegbrechenden Rentenansprüche. Der Schnitt muß also nicht schlagartig sein.

Hört sich doch nicht so gut an.

Beck: Warren Buffett hat mal sinngemäß gesagt: Nur reiche Menschen können sich einen unfähigen Staat leisten. Wir kommen immer mehr in diese Richtung und werden das merken.

Hoffentlich.

Beck: Ja, weil es den reichen Leuten egal ist, wenn die staatliche Schule keinen vernünftigen Unterricht mehr bietet. Die schicken ihre Kinder in eine Privatschule. Und wenn die Gemeinden sich kein Schwimmbad mehr leisten können, dann hab’ ich meinen Pool zu Hause. Wir kommen immer mehr in die Richtung, daß die Allgemeinheit – und eben insbesondere die junge Generation – für viele Fehlentscheidungen der letzten Jahre zahlt.

Das heißt, langfristig muß der Staat immer mehr private Initiativen zulassen?

Beck: Das meine ich nicht. Die Privaten ziehen sich halt zurück. Wenn die Sicherheit im öffentlichen Raum nicht mehr gewährleistet ist – ja, dann wohnen die Vermögenden in Gated Communities.

Dort stehen dann das privat organisierte Schwimmbad und die private Schule.

Beck: Ja. Deswegen verstehe ich nicht, wieso der Allgemeinheit diese Aspekte so egal sind.

Gibt es doch eine mangelhafte Finanzbildung? Verstehen die Menschen es nicht?

Beck: Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Ich glaube, es geht grundsätzlich um die Fähigkeit, kritisch zu denken.

Harte Worte.

Beck: Wenn Gymnasiasten fordern, sie möchten in der Schule lernen, welche Versicherung sie brauchen, dann würde ich sagen: Sie sind auf der falschen Schule. Selbständiges kritisches Denken ist gefragt. Dann kann man eins und eins auch selber zusammenzählen.

Das heißt, die Schüler brauchen nur guten Mathe­unterricht?

Beck: Na ja, wenn sie Aristoteles lesen, ist das auch nicht verkehrt. (Lacht)

Die Staatsschulden der USA werden bald auf 30 Billionen steigen.

Beck: Ein Dollar, der von den USA ausgegeben wird, wird nur zu 60 Prozent durch Steuereinnahmen verdient. Zu 40 Prozent wird er durch neue Schulden bezahlt. Das ist ein atemberaubendes Niveau.

Gleichzeitig haben die USA einen Schuldenstand wie Portugal oder Italien, die kein sehr gutes Rating erhalten. Bei den USA sieht das anders aus.

Beck: Das ist auch völlig gerechtfertigt.

Warum?

Beck: Ein Staat kann in seiner eigenen Währung nicht bankrott gehen. Das einzige Risiko, das ein Staat der zuviel von seiner Währung produziert, eingeht, ist, daß der Wechselkurs fällt. Aber das haben alle Staaten bei Japan abgeguckt. Dieses Spiel kann man anscheinend extrem weit treiben. Japan hat 1999 mit dem Nullzins angefangen und betreibt das exzessiv. Heute ist der Yen immer noch stark.

Was ist da der Trick?

Beck: Der Trick ist, daß wir volkswirtschaftlich in einer Phase der Industrialisierung sind, in der hohe Zinsen keinen Sinn mehr haben. Der Zweck des risikolosen Zinses ist es, Menschen für Konsumaufschub zu entschädigen. Wir können aber so viele Autos produzieren, daß die Menschen mit dem Konsum gar nicht hinterherkommen. Volkswirtschaftlich ist es naheliegend, Konsumentenkredite negativ zu verzinsen. Ein solches Umfeld könnte die Notenbanken dazu bringen, sich deutlich zurückzunehmen. Der Wohlstand würde sich in einem solchen Szenario aus sich selbst heraus steigern. Es könnte aber auch den Notenbanken als Freibrief dienen, um ihre Macht auszuweiten. Tabubrüche der Fed und der EZB werden dann nicht mehr durch Inflation abgestraft – zumindest kurzfristig.

Wäre hier nicht doch ein Helikoptergeld sinnvoll? Vielleicht in Form von zeitlich befristeten Gutscheinen für tägliche Einkäufe?

Beck: Was sollen die Leute denn kaufen? Noch den vierten Fernseher, wenn schon im Wohnzimmer, im Schlafzimmer und im Kinderzimmer einer ist? Natürlich gibt es auch verarmte Menschen, aber in der Breite sind die Menschen mit Konsumgütern auch ohne Helikoptergeld versorgt.

Die gehen ja auch schnell kaputt.

Beck: Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ist die Wirtschaftsdynamik schon unglaublich. Die Wirtschaft verkürzt die Konsumzyklen immer weiter. Ich denke, wir sind da gesellschaftlich in einem Widerspruch gefangen. Es werden mehrere Ziele vermeintlich angestrebt, die einander aber tatsächlich ausschließen. Da kommen wir aber vom Thema weg.

Die nächste Bundesregierung – vielleicht unter Olaf Scholz – setzt sicher weiter auf Kohle- und Atomausstieg sowie auf „Klimaneutralität“ bis 2045. Das bringt nicht nur unsere energieintensive Auto- und Chemieindustrie in Existenzprobleme. In China und den USA erfolgt der klimaneutrale Umbau eher in Reden als durch Taten. Deutschland will unbedingt Vorbild sein.

Beck: Es ist erstaunlich, was bis jetzt mit dem EEG schon an Geld ausgegeben wurde. Ebenso erstaunlich ist die geringe Bereitschaft, das kritisch zu hinterfragen. Wie viele hundert Milliarden haben wie viele tausendstel Promille an Einfluß auf das Klima bewirkt? Wo könnten wir heute stehen, wenn wir diese Subventionsgelder in die Forschung gesteckt hätten? Ob wir ein Jahr früher oder später aus der Kohle aussteigen, ist dem Weltklima egal. Wir machen das, was der Zeitgeist in Deutschland vorgibt. Das Thema regelt sich irgendwann von selbst.

Wie soll es sich von selbst regeln?

Beck: Schauen Sie sich die aktuell stark gestiegenen Gaspreise an. Niemand wird da widersprechen: Wenn wir gleichzeitig Atom und Kohle abschalten, ist es unmöglich, unseren Energiebedarf selbst zu decken. In der Konsequenz kaufen wir künftig Strom im Ausland. Was aber, wenn es zu einer europaweiten Energieknappheit kommt? Dann werden wir sehen, ob das Ausland eine nationale Strategie verfolgt, bevor es uns beliefert. 

Sie betreuen mit Ihrer Firma auch ETFs. Diese automatisierten Indexfonds sind derzeit eines der beliebtesten Anlageprodukte. ETFs sind aber oft in der Hand von wenigen Emittenten. Gibt es dann nicht ein Ausfallrisiko, wenn ein Emittent pleite geht?

Beck: Es gibt kein Ausfallrisiko, da es sich um Sondervermögen handelt, aber ich denke, es ist gesellschaftlich ein Schaden, daß die Investment­industrie hier immer stärker in Richtung einer Monopolisierung geht. Da ist die ETF-Industrie ein gutes Beispiel dafür, wie ganz wenige Player zu einer enormen Macht kommen. Aber das muß man beobachten. Es gäbe natürlich Möglichkeiten zur Regulierung. 

Auf welche Art und Weise könnten die Big Player wie BlackRock und Co. ihre Marktmacht mißbrauchen?

Beck: Indem sie ihre Stimmrechte im Sinne ihrer globalen Kunden ausrichten und nicht im Sinne der betroffenen Unternehmen.

Zeichnet sich hinsichtlich der Regulierung schon etwas ab?

Beck: Na ja, reguliert wird erfahrungsgemäß immer erst, nachdem ein Schaden eingetreten ist.

Vielen Dank, Herr Beck, für das Interview. 






Dr. Andreas Beck, geboren 1965 in München, absolvierte eine Schlosserlehre und studierte Mathematik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er promovierte an der Uni Bremen in Logik. Nach Tätigkeiten für die Münchener Rück gründete der Finanzmathematiker 2005 das auf Risikoanalysen und Portfolio-Ratings spezialisierte Institut für Vermögensaufbau. Seit 2014 ist er Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Index Capital GmbH und Leiter des Beirats der Financial Risk Fitness GmbH.