© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/21 / 29. Oktober 2021

Der Junk-Aktionär
Christian Dorn

Gäbe es eine Partei der deutschen Aktionäre, hätte sie bei der Bundestagswahl 17,5 Prozent erzielt und wäre hinter SPD und CDU drittstärkste Kraft geworden – zumindest laut einer Erhebung des Deutschen Aktieninstituts (DA). Die Aktienkultur in Deutschland entwickelt sich weiterhin positiv: Im Vergleich zu 2019 haben 2020 rund 2,7 Millionen Menschen zusätzlich in Aktien, Aktienfonds oder aktienbasierte ETFs investiert. Damit sind 12,4 Millionen Bürger in Deutschland am Aktienmarkt engagiert, was auch eine Folge der EZB-„Euro-Rettungs“-Politik mit ihren sinkenden Negativzinsen ist.

Eine Partei der Aktionäre wüßte auch, daß die außer von der FDP von allen im Bundestag vertretenen Parteien geforderte Transaktionssteuer ein neosozialistisches Instrument ist, das vor allem als „Kleinanlegersteuer“ wirken würde. Die Steuer wirke laut dem DA so, „als ob ein Gärtner den Unkrautvernichter mit der großen Gießkanne ausschüttet“: Unkraut werde zwar bekämpft, aber ebenso Gemüse, Blumen und Obst.

Zum Obst macht sich freilich auch mancher Anleger, der den marktschreierischen Newslettern folgt, die in der Regel aggressiv und manipulativ gestaltet sind. Einer der bekanntesten Vertreter ist der Finanzdienstleister GeVestor, dessen kostenpflichtige Börsenbriefe so teuer sind, daß ein Anleger mit jährlich 5.000 Euro Investition mindestens 17 Prozent Rendite erzielen müßte, um überhaupt Gewinn zu machen, so die Kritiker, darunter auch der Verbraucherschutz Hessen.

Wer aktuelle Aktien- und Fonds-Empfehlungen sucht, greift daher zu entsprechenden Zeitschriften. Die gängigsten Publikumstitel sind Focus Money, Euro am Sonntag, Börse Online und Der Aktionär (alle wöchentlich). Deutlich tiefschürfender in der Analyse und eher unaufgeregt wirken dagegen das Monatsmagazin Smart Investor und die Börsen-Zeitung.

Mit 4,50 Euro pro Heft ist die in puncto Preis-Leistungs-Verhältnis beste und mit Abstand am häufigsten rezipierte Zeitschrift Focus Money, die in ihren Editorials regelmäßig mit der Klimakirche, der EZB-Politik und dem Corona-Maßnahmenstaat abrechnet und darüber hinaus mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) kooperiert. Die aktuelle Ausgabe (41/2021) präsentiert sechs Forderungen an die künftige Bundesregierung: Erstens die Rückkehr zur Spekulationsfrist, so daß Veräußerungsgewinne nach einem Jahr steuerfrei sind. Zweitens die deutliche Erhöhung des Sparerfreibetrages von derzeit 801 Euro pro Person auf mindestens 2.500 Euro. Drittens die Kumulierung ungenutzter Freibeträge aus den Vorjahren. Viertens eine uneingeschränkte Verlustverrechnung. Fünftens die Verbesserung der steuerlichen Behandlung von Mitarbeiteraktien. So seien in Frankreich im Jahr 2020 knapp 3,5 Prozent des Grundkapitals der großen Unternehmen von Mitarbeitern gehalten worden, in Deutschland dagegen weniger als ein Prozent. Und sechstens sollten Depots zur Altersvorsorge steuerlich gefördert werden.

Als Pionier der wöchentlichen Publikumszeitschriften – führend auch im Preis (7,80 Euro) – agiert seit 1996 das von dem innovativen Finanzbuchverleger Bernd Förtsch herausgegebene Magazin Der Aktionär. Hier sind die Aktien­empfehlungen besonders akzentuiert. Wer das nötige „Kleingeld“ für Diversifikation und ein hinreichendes wirtschaftspolitisches Verständnis besitzt, kann besonders hier – und beinahe auf Bestellung – sein Kapital vermehren, nicht zuletzt durch Anlageprodukte, die von dem Verlag selbst vertrieben werden, wie etwa der vom Herausgeber Förtsch initiierte TSI Fonds, dessen Performance den Dax weit hinter sich läßt.

Ebenfalls etabliert hat sich die Anlegerzeitschrift Börse Online (Verkaufspreis: 5,40 Euro). In deren Ausgabe 39/2021 warnte der Vermögensverwalter und Bestsellerautor Marc Friedrich vor weiteren Investitionen im Immobiliensektor, da bei der unweigerlich zu erwartenden Finanzkrise wie schon in der Vergangenheit Immobilienbesitzer die Zeche zahlen müßten. In diesem Zusammenhang wies Friedrich darauf hin, daß der Euro seit seiner Einführung vor knapp zwanzig Jahren 87 Prozent an Kaufkraft verloren habe, und „nicht 28 Prozent, wie uns die EZB vorgaukeln will“.

Mit deutlich politischen Kommentaren gegen den Linkstrend in Deutschland sticht – neben Focus Money – auch Euro am Sonntag hervor (Heftpreis: 4,90 Euro), zu dessen regelmäßigen Kolumnisten Oswald Metzger und Hans-Hermann Tiedje zählen sowie der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, der in seiner jüngsten „Ärgernis der Woche“-Kolumne den aufgeblähten Bundestag unter das Motto „Teuer, aber ohne Mehrwert“ stellte.

Das klassische Medium für den professionellen Aktienhändler auf dem Parkett ist indes die seit 1952 erscheinende Börsen-Zeitung als einzige explizit auf den Finanzsektor ausgerichtete Tageszeitung Deutschlands (Einzelpreis: 5,80 Euro). Die Ausgabe vom 7. Oktober berichtet vor dem Hintergrund des insolventen chinesischen Immobiliensektors Ever­grande, daß nur ein Fünftel der deutschen Top-Immobilienentwickler über ausreichend starke Liquiditätsratios analog zu den chinesischen Standards verfügen. Doch die ausgewiesene Expertise und die nüchterne Berichterstattung bereiten dieser Publikation Probleme, sobald es um den von der Klimakirche vorgegebenen Ablaßhandel geht, sprich den Verkauf von CO2-Zertifikaten. Die Überschrift „Beim Klima tut sich der Markt schwer“ spricht Bände. Und in der Tat, wie windig hier die Ideologie ist, zeigen die obengenannten Börsenzeitschriften, die sich mit der Vorstellung respektive Bewerbung von Anbietern von CO2-Zertifikaten überbieten. Diese sind bei Lichte betrachtet eigentlich Luftnummern, garantieren aber dank planwirtschaftlicher Direktiven zur immer höheren Kohlendioxid-Besteuerung ein automatisches Gewinnwachstum – auf Kosten der Allgemeinheit.

Wer sich weder täglich noch wöchentlich den neuesten Kassandrarufen oder hochprozentigen Renditeversprechen aussetzen will, ist – bei einem Preis von 12 Euro – mit dem Magazin Smart Investor gut beraten, das im Unterschied zu den wöchentlichen Anlegerzeitschriften keinen Häppchenjournalismus serviert. Statt dessen erhält der Leser, neben vielen ausführlichen Interviews mit erfolgreichen Fondsmanagern, fundierte Analysen und Gesamtdarstellungen, wie etwa in der Oktober-Ausgabe zum Thema Immobiliensektor mit einer umfassenden Übersicht über alle relevanten Immobilienaktien im deutschsprachigen Raum. Auch die libertäre Ausrichtung des Magazins ist ein Alleinstellungsmerkmal, etwa in der Vorstellung potentieller Exilländer unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes und der Steuervermeidung, wie aktuell die Insel Madeira, wo für dort registrierte Firmen und Freelancer der Steuersatz auf Unternehmensgewinne auf fünf Prozent begrenzt ist.

Der Chefredakteur des auf Edelmetalle und Rohstoffe spezialisierten Magazins, Ralf Flierl, spricht ebenfalls eine deutliche Sprache: Mit Blick auf die angeblichen Erinnerungslücken des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz in den Fällen Wire­card und Cum-Ex-Untersuchungsausschuß (Steueraffäre um die Bank Warburg) attestiert Flierl dem Genossen echte Weisheit – daß nämlich Reden Silber und Schweigen Gold sei.