© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/21 / 05. November 2021

Kein Ende in Sicht
Corona-Maßnahmen: Neuer rechtlicher Rahmen soll bis März 2022 gelten / Sachsen plant verschärftes 2G-Modell
Björn Harms

Das Ende der epidemischen Notlage am 25. November bedeutet keinesfalls ein Ende der Corona-Maßnahmen. Einen „Freedom Day“ soll es vorerst nicht geben. Die drei Parteien der möglichen Ampel-Koalition planen stattdessen eine bis zum 20. März 2022 geltende Übergangsregelung, mit der ein Teil der bisherigen Corona-Maßnahmen rechtlich fortgeführt werden kann. Künftig sollen die Bundesländer über einige Maßnahmen wieder selbstständig entscheiden, darunter etwa die Maskenpflicht, Hygienekonzepte und 2G- oder 3G-Regelungen. 

Nach derzeitiger Planung soll der Bundestag das neue Gesetz in der ersten Sitzungswoche der neuen Parlamentsperiode (8. Bis 12. November) diskutieren. Danach könnte der Bundesrat auf einer Sondersitzung noch vor dem 25. November abschließend darüber entscheiden. „Das könnte bedeuten: Corona-Maßnahmen für immer!“, kommentierte der Jurist Josef Franz Lindner gegenüber der Bild-Zeitung die Pläne. Die massiven Einschränkungen würden so von der pandemischen Sondersituation gelöst, die bisher immer als Rechtfertigung für die Maßnahmen diente. „Diese Hürde fällt jetzt weg“, so Lindner. SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach fordert unterdessen eine konsequentere Anwendung von 2G bei Veranstaltungen oder in Restaurants im Innenbereich. „Das senkt die Fallzahlen stark“, ist sich Lauterbach sicher. Doch daß gerade kostenlose Tests ausgerechnet vor dem Winter abgeschafft wurden, hält Virologe Hendrik Streeck für einen fatalen Fehler. So verschwimme „das naturgemäß schemenhafte Bild vom Infektionsgeschehen zusätzlich. Wir verlieren den Überblick“, erklärte er am Montag in der Welt.

Selbst in der eigenen Partei regt sich Widerstand gegen Kretschmer

Einzelne Bundesländer wollen indes nachschärfen: In Sachsen läßt Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) Maßnahmen vorbereiten, die auf einen Quasi-Lockdown für Ungeimpfte hinauslaufen. Das 2G-Modell soll bereits ab Montag verpflichtend werden für die Innengastronomie, bei Veranstaltungen sowie in Freizeit- und Kultureinrichtungen, Clubs und Bars. Nur Einkäufe im Supermarkt oder in der Apotheke sowie Besuche beim Friseur wären noch erlaubt. Arbeitgebern wird dazu dringend empfohlen, am Arbeitsplatz die 3G-Regel anzuwenden. Sachsen hat die niedrigste Impfquote aller Bundesländer. Am 29. Oktober lag sie bei 65,8 Prozent. Noch im Mai 2020 hatte Kretschmer verkündet: „Niemand wird in Deutschland gegen seinen Willen geimpft.“ Auch die Behauptung, daß diejenigen, „die sich nicht impfen lassen, ihre Grundrechte verlieren“, sei „absurd“ und „bösartig“. Nun regt sich sogar in seiner eigenen Partei Widerstand: „Wir haben versprochen, daß es keinen Impfzwang gibt, auch nicht indirekt“, sagte der Landtagsabgeordnete Jan Hippold. „2G wäre Wortbruch!“ 

Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte laut n-tv an, daß es auch bundesweit „starke Einschränkungen für Ungeimpfte geben wird“. Die Einschränkungen könnten demnach über das 2G-Modell hinausgehen – was das genau heißen soll, blieb offen. In Thüringen wurden die Corona-Maßnahmen für Ungeimpfte bereits verschärft, wenn auch nur in einigen Regionen. Liegen Landkreise oder kreisfreie Städte bei der höchsten Warnstufe drei, müssen sie das 2G-Modell oder das Modell 3Gplus (geimpft, genesen oder negativer PCR-Test) verpflichtend machen, etwa in Innenräumen von Restaurants, Hotels oder Schwimmbädern. 

Doch in vielen Bereichen – etwa beim Umgang mit Weihnachtsmärkten oder der Maskenpflicht an Schulen – herrscht bei den Ländern Uneinigkeit über das richtige Vorgehen. In Bayern und Baden-Württemberg war die Maskenpflicht an Schulen bereits abgeschaft worden. Bayerns Ministerpräsident Söder erwägt nun, doch wieder eine erweiterte Maskenpflicht an den Schulen nach den Herbstferien und allgemein verschärfte Zugangsregeln einzuführen. In NRW wiederum ist seit dem 2. November die Maskenpflicht an den Schulen entfallen, in Schleswig-Holstein dürfen Schüler bereits seit dem 1. November ohne Maske am Unterricht teilnehmen. In den Ländern wird bereits vor einem „Flickenteppich“ und damit verbundener mangelnder Akzeptanz gewarnt.