© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/21 / 05. November 2021

Mit einer Ampel-Regierung schlittert Deutschland in die Planwirtschaft
Die Grenzen des Machbaren
Erich Weede

In der Politik gibt es kaum Schlimmeres als Wunschdenken. Vorrang vor dem Wünschbaren muß die Analyse des Machbaren haben. Die Grenzen des Machbaren werden in drei Einsichten von Ökonomen umrissen. Adam Smith wußte schon Ende des 18. Jahrhunderts, daß der Erwerb von Eigentum einen wesentlichen Arbeitsanreiz darstellt. Die meisten Menschen arbeiten nun mal lieber für sich oder ihre Familie als für das Gemeinwohl oder den Finanzminister.

Anfang der 1920er Jahre erkannte Ludwig von Mises, daß wir Privateigentum an Produktionskapital benötigen. Nur wenn voneinander unabhängige Unternehmen um Rohstoffe, Zwischenprodukte und Arbeitskräfte miteinander konkurrieren, können die Preise die Knappheitsverhältnisse so abbilden, daß eine rationale Ressourcenallokation möglich wird. Mitte der 1940er Jahre erkannte Friedrich August von Hayek, daß Wissen auf Millionen Köpfe verteilt und nicht in einer Organisation, Regierung oder Ämterhierarchie zentralisierbar ist, daß Entscheidungsfreiheit für Individuen und Firmen notwendig ist, wenn Wissen nutzbar gemacht werden soll. Die drei Argumente implizieren, daß wirtschaftliche Freiheit fruchtbarer als Planwirtschaft ist: Je freier Volkswirtschaften sind, desto reicher sind sie und desto schneller wachsen sie.

Was bedeutet die sich abzeichnende Ampel-Koalition in Anbetracht der Grenzen des Machbaren? Bei den Sozialdemokraten muß man befürchten, daß ihnen die marxistische Abneigung gegen Produktionskapital in Privatbesitz heute noch näher liegt als Mises’ Einsicht in dessen Notwendigkeit. Soziale Gerechtigkeit hat für die SPD einen höheren Stellenwert als unternehmerische Freiheit. Das rechtfertigt Interventionen, einen wachsenden Staatsanteil am Sozialprodukt und Schulden. Bei den Grünen ist das Hauptziel der Klimaschutz durch radikale Reduzierung der CO2-Emissionen. Niemand glaubt, daß das billig wird. Deshalb sind Kosteneffizienz und Erhaltung der industriellen Wohlstandsbasis unverzichtbar. Milton Friedman hat einmal geschätzt, daß beim Staat alles doppelt so teuer wie in der Privatwirtschaft wird. Leider gilt für die Grünen wie für die Roten, daß sie Marx näher als Mises stehen, folglich nicht dessen Sorge teilen, daß Privateigentum und unternehmerische Freiheit durch staatliche Regulierung zur leeren Hülle werden könnten.

Die Ampel steht bei Grün und Rot für Interventionismus, damit für Ineffizienz. Die FDP ist bei der Ampel der schwächste Partner. Theoretisch sind die Gelben Verteidiger der wirtschaftlichen Freiheit. Doch wie standfest kann der kleinste Partner sein? In der Vergangenheit waren die Freien Demokraten nicht immer standfest. Sie haben zugestimmt, den deutschen Steuerzahler mit der „Rettung“ Griechenlands und anderer Mitglieder des Euroraums zu belasten. Damit hat die FDP am Aufbau einer zweiten oder europäischen Etage des Umverteilungs- und Sozialstaates mitgewirkt.

Die FDP hat auch keinen Widerstand gegen die Masseneinwanderung von Asylsuchenden und Flüchtlingen geleistet, in der man eine dritte oder globale Etage des Umverteilungsstaates sehen kann. Die FDP wird sich daher dem rot-grünen Versuch, die Welt ohne Rücksicht auf die Kosten zu „retten“, nicht verweigern. Armes Deutschland, arme Leistungsträger und spätestens auf lange Sicht auch arme Steuerzahler!






Prof. Dr. Erich Weede lehrte Soziologie an den Universitäten Köln, Bologna und Bonn.