© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/21 / 05. November 2021

Mit Migrationsökumenen den Aderlaß der Kirchen stoppen
Interkulturelle Gemeindebildung
(ob)

Auf romantische Verklärungen von Masseneinwanderung haben hiesige kirchliche Wolkenkuckucksheimer kein Patent, wie sich in einem Aufsatz der Baseler Theologin Claudia Hoffmann nachlesen läßt (Theologische Zeitschrift, 2/2021). Darin appelliert sie an den Klerus, angesichts auch in der Schweiz schwindender Kirchenmitgliederzahlen – 2020 bezeichnete sich fast ein Drittel der Schweizer als „konfessionslos“ –, „Zuwanderung“ als Chance zum Ausbau einer „migrationssensiblen Theologie“ zu begreifen. Im Mittelpunkt ihrer Ausführungen steht dabei das ihr vielversprechend scheinende  Reservoir der „Geflüchteten aus Eritrea“. Von dort schwoll der Menschenzustrom seit 2011 kontinuierlich an. Die meisten Antragsteller sind jung, zwischen 15 und 30 Jahren. Derzeit leben 80 Prozent dieser „vorläufig Aufgenommenen“ von Sozialhilfe. Offenkundig benötigt die Schweizer Wirtschaft sie nicht. Aber Hoffmann entdeckt in ihnen das Potential für eine Revitalisierung der eidgenössischen Kirchen. Denn 90 Prozent der ins Sozialsystem Eingereisten zählen zur eritreisch-orthodoxen Kirche. Damit die „Grundhaltung des Teilens“ künftig nicht auf die steuerfinanzierte Gewährung eines arbeitslosen Einkommens beschränkt bleibt, schlägt Hoffmann vor, Eritreer verstärkt in Gottesdienste einzubeziehen. Damit werde der Grundstein für „interkulturelle Gemeindebildung“ in zahlreichen „Migrationsökumenen“ gelegt. Diese würden „Energiedynamiken“ auslösen, die dazu führen, daß ein „Gefühl von Heimat und Vertrautheit“ wachsen könne. Wie groß der eritreische Wunsch nach Teilhabe an solchen Projekten ist, vermag Hoffmann statistisch nicht zu belegen. 


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