© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/21 / 05. November 2021

Zeitschriftenkritik: Tiroler Schützenzeitung – Sonderausgabe „Feuernacht 1961“
Explosive Zeiten
Werner Olles

Die aktuelle Sonderausgabe (Nr. 3/2021) der seit 1846 erscheinenden Tiroler Schützenzeitung widmet sich der legendären Feuernacht vom 11. auf den 12. Juni 1961, ihren Hintergründen, Protagonisten und Folgen. Renato des Dorides, Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, erinnert in seinem Vorwort an diese Nacht vor sechzig Jahren, die vielen heute kaum noch bekannt ist und von anderen verdrängt wird. Dennoch werden die Feuernacht und die darauf folgenden Ereignisse im kollektiven Gedächtnis der Tiroler für immer unvergessen bleiben. Der italienische Staat ging damals mit aller Härte gegen Südtiroler Freiheitskämpfer und vermutete Aktivisten vor. Mitglieder des BAS (Befreiungsausschuß Südtirol) und auch viele Schützen, die an Widerstandsaktionen beteiligt waren, wurden besonders scharf vom Staat überwacht und kontrolliert.

Gemeinsame Veranstaltungen des Südtiroler Schützenbundes und des Südtiroler Heimatbundes erinnern bis heute an den Freiheitskampf. Damals war die Luft explosiv geladen; es fielen vierzig Strommasten, vielerorts gingen die Lichter aus, für italienische Zuwanderer gebaute Volks-Wohnbauten wurden im Rohzustand gesprengt, den Faschismus verherrlichende Denkmäler zerstört und patriotische Schriften angebracht sowie verbotene Südtiroler Fahnen gehißt. Es sollten Zeichen gesetzt werden, um die Welt auf die Ungerechtigkeit, Unterdrückung und die vom Faschismus begonnene massenhafte Zuwanderung und von Rom gesteuerte Italianisierung aufmerksam zu machen.

„Rebellion und Aufstand lagen in der Luft, unsere Schützen im südlichen Tirol waren patriotisch und kämpferisch mit dabei“, schreibt Renato des Dorides. Die Folgen waren staatliche Verbote, kriegszustandsähnliche Notverordnungen, willkürliche Kontrollen und Ausgangssperren, und leider waren auch etliche Todesfälle von Aktivisten durch Folterungen und Erschießungen zu beklagen. Zahlreiche Freiheitskämpfer, die mit ihren symbolischen Aktionen ein hohes Risiko eingingen, konnten sich der Verfolgung durch die Militärpolizei und den italienischen Militär-Geheimdienst SISDE nur durch Flucht entziehen.

Der Südtiroler Freiheitskampf knüpft an eine lange Historie an. „Belege, die bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen, bezeugen, daß die Tiroler Talschaften ihre Angelegenheiten auf den jährlich stattfindenden Bauernschaftsversammlungen selbst in die Hand nahmen“, schreibt Andreas Raffeiner in seinem historischen Abriß. Als das Land nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zu Österreich heimkehren durfte, gründete sich der Befreiungsausschuß Südtirol; der Weg zur Feuernacht schien vorgezeichnet. Zeitzeugenberichte ergänzen die ansprechend illustrierte Ausgabe.

Kontakt: Südtiroler Schützenbund, Innsbrucker Str. 29, I-39100 Bozen. Das Jahresabo kostet 14 Euro.

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