© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/21 / 05. November 2021

Moderne Hexenjagd
England: Die Transgender-Bewegung hat mit Kathleen Stock eine kritische feministische Professorin zur Strecke gebracht
Julian Schneider

Unmittelbar nach dem Rücktritt von Kathleen Stock jubelten die Aktivisten: „Großer Sieg für die LGBTQ+-Studenten heute in Sussex.“ Man sei in Feierlaune. Ein anderer Post auf Instagram bemühte hämisch die Liedzeile „Ding-dong! The witch is dead“ (Die Hex’ ist tot) aus der Verfilmung des „Zauberer von Oz“ von 1939. Doch manchem wurde wohl auch mulmig, denn der vermeintliche Triumph einer aggressiven Kampagne gegen die Philosophieprofessorin Kathleen Stock ist wohl nicht nur Höhepunkt, sondern auch Wendepunkt in der durch „Cancel Culture“ vergifteten Debatte.

Transgender-Aktivisten, die vermummt und mit bunten Rauchfackeln auftraten und den ganzen Campus bis in die Toiletten mit „Stock out“-Plakaten bepflasterten, haben die 49jährige Professorin so lange gemobbt und verfolgt, bis sie das Handtuch warf. Die Aktivisten forderten ihre Entlassung wegen „Trans-phobie“. Man riet ihr, zum Schutz Bodyguards zu engagieren. „Eine absolut schreckliche Zeit“ hätten sie und ihre Familie erlebt, sagte die sichtlich gebrochene Akademikerin. Stock wird ihren Posten an der Universität Sussex aufgeben.

Die bekannte feministische Autorin ist eine der prominentesten britischen Kritikerinnen der Transgender-Ideologie, wonach das biologische Geschlecht (Sex) keine Bedeutung besitze und hinter einer Gender-Identität zurückstehe, die man selbst wählen könne. Stock hat in Büchern wie „Material Girls“ und Aufsätzen argumentiert, daß das biologische Geschlecht real sei und nicht einfach gewechselt werden könne. Damit wurde sie zum Haßobjekt der Trans-Bewegung und ihrer Sympathisanten. So prangerten Anfang dieses Jahres mehr als 600 Akademiker in einem offenen Brief ihre angebliche „Transphobie“ an. Auch von Labour kam Kritik, als sich Stock und andere einer neuen LGA (Lesbian and Gay Alliance) anschlossen, die angeblich „trans-exklusiv“ ist.

Die Treibjagd an der Uni nahe Brighton wurde schließlich zu viel. Immerhin hat sich die Regierung von Boris Johnson klar hinter sie gestellt. Hochschulministerin Michelle Donelan klagte, es sei „absolut beängstigend, daß das toxische Umfeld an der University of Sussex es untragbar gemacht hat für Professor Stock, ihre Position beizubehalten“. Die Gleichstellungsministerin Kemi Badenoch stärkte ihr ebenfalls den Rücken. Auch die Universität selbst hatte sich – anders als einige andere Hochschulen in vergleichbaren Fällen – klar hinter die Professorin und ihre Lehr- und Meinungsfreiheit gestellt.

Kathleen Stock gehört wie die Kriminologin Jo Phoenix (Open University) und die Historikerin Selina Todd (Oxford) zu einer Gruppe feministischer Akademikerinnen, die von der Transbewegung bedrängt und systematisch gemobbt werden. Phoenix’ Büro wurde mit Urin attackiert, sie selbst von Konferenzen ausgeladen, weil sie davor warnt, daß „Transfrauen“ (also biologische Männer) Zugang zu Mädchen-Umkleiden, -Duschen oder Frauengefängnissen haben sollen.

Hoffen auf einen Wendepunkt in der „Cancel Culture“ 

Die „Cancel Culture“ wird zunehmend als Problem an den Universitäten wahrgenommen. „200 Akademiker berichten von Todesdrohungen und Übergriffen, die Schlacht um die Redefreiheit tobt immer stärker“ titelte die Times Mitte Oktober über einem großen Artikel. Die Regierung Johnson hat mehrere Initiativen angekündigt, um gegen die „Cancel Culture“ an den Universitäten vorzugehen. Obwohl das bislang nur wenig gefruchtet hat, könnte der Fall von Kathleen Stock ein Wendepunkt sein. Nach Jahren der Feigheit wachen mehr und mehr Institutionen auf und setzten sich für die akademische Freiheit ein, schrieb die Journalistin Sarah Ditum in einem Leitartikel in der Sunday Times unter der Überschrift „Der Trans-Aktivismus ist auf dem Rückzug“. Trotz exzessiven Lobbyings erfahre die Trans-Bewegung zunehmend Gegenwind, meint oder hofft sie.

Zunehmend wird nun diskutiert, daß die Kampagnen gegen Kritiker der Transgender-Ideologie, darunter prominente Frauen wie die Schriftstellerin J.K. Rowling oder eben Kathleen Stock, Züge von modernen Hexenjagden tragen, in denen obsessive „Transpersonen“, „Queere“, „Nicht-Binäre“, Transaktivisten und -Sympathisanten ihren Haß auf Andersdenkende ausleben, die ihrem neuen Dogma „Transfrauen sind Frauen“ nicht folgen.

Foto: Demonstranten in London fordern Transgender-Rechte (Juli 2021): Treibjagd an der Uni