© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/21 / 05. November 2021

Gefürchtet und umtriebig
Vor dreißig Jahren löste Michail Gorbatschow den sowjetischen Geheimdienst KGB auf
Thomas Schäfer

Kurz vor der Auflösung der UdSSR zum 26. Dezember 1991 schlug auch das letzte Stündlein für den sowjetischen Geheimdienst KGB (Komitet gosudarstwennoi besopasnosti; Komitee für Staatssicherheit). Einen maßgeblichen Anteil hieran hatte Armeegeneral Wladimir Krjutschkow, der seit dem 1. Oktober 1988 an der Spitze des KGB stand. Dieser kommunistische Hardliner gehörte zu einer Gruppe hochrangiger Putschisten namens „Staatskomitee für den Ausnahmezustand“, welche im August 1991 versuchte, den sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow zu stürzen, um so den Reformprozeß im Lande zu stoppen. 

Der KGB aktivierte im Westen viele „Maulwürfe“ und „Schläfer“

Das Vorhaben mißlang indes schon im Ansatz. Daraufhin ersetzte Gorbatschow Krjutschkow durch dessen Stellvertreter Generalleutnant Leonid Schebarschin. Der wiederum mußte das Amt dann wenige Stunden später an Generalleutnant Wadim Bakatin abgeben, wobei die Aufgabe des früheren Innenministers und Gorbatschow-Vertrauten nunmehr darin bestand, den KGB aufzulösen. Hierfür benötigte Bakatin nur reichlich zwei Monate: Das offizielle Ende des Komitees für Staatssicherheit mit seinen rund 480.000 Angehörigen datiert auf den 6. November 1991. Allerdings folgte dem KGB zunächst noch der MSB (Meshrespublikanskoi slushba besopasnosti; Interrepublikanischer Sicherheitsdienst) nach. Dieser sollte aber lediglich die Zusammenarbeit zwischen den KGB-Nachfolgediensten in den jeweiligen Teilrepubliken der UdSSR koordinieren, was in dem Moment überflüssig wurde, als der Zerfall der Sowjetunion feststand. Hieraus resultierte Gorbatschows Weisung vom 3. Dezember 1991 „Zur Neuorganisation der staatlichen Sicherheitsdienste“, welche nun auch das Ende des MSB einläutete.

In seiner reichlich 37jährigen Geschichte hatte sich der KGB, dessen Gründung am 13. März 1954 auf maßgebliche Initiative von Stalins Nachfolger Nikita  Chruschtschow erfolgt war, zu einem ebenso gefürchteten wie umtriebigen Geheimdienst entwickelt. So bekämpfte er in der Tradition seiner Vorläuferorganisationen WeTscheKa, OGPU, NKWD, NKGB, MGB und MWD jegliche Form von tatsächlicher oder angeblicher innerer Opposition, wobei häufig auch Gewalt angewendet wurde. Wie aktiv der KGB dabei war, belegen beispielsweise seine Berichte von 1985. Damals meldete er die Zerschlagung von 934 „antisowjetischen Gruppen“. Darüber hinaus wurden Zehntausende „prophylaktische Gespräche“ mit systemkritischen Bürgern in den „Objekten“ des KGB geführt.

Im Ausland agierte der Geheimdienst ebenfalls sehr rabiat und zumeist auch recht erfolgreich im Sinne seiner Auftraggeber. Davon zeugen diverse gelungene Mordanschläge gegen Personen, welche dem Kreml irgendwie ein Dorn im Auge waren, wie beispielsweise die ukrainischen Nationalistenführer Stepan Bandera und Lew Rebet oder der afghanische Präsident Hafizullah Amin. Letztlich gab es nur wenige Länder auf der Erde, in denen der KGB nicht auf die eine oder andere Weise Wühltätigkeit betrieb. So unterstützte er 1970 den Moskauer Wunschkandidaten für die Präsidentschaftswahl in Chile, den Sozialisten und KGB-Kontaktmann Salvador Allende alias „Leader“, mit einer halben Million US-Dollar und fälschte dann später den Briefwechsel von Augusto Pinochet, um den Juntachef im westlichen Ausland zu diskreditieren.

Zwischen 1981 und 1984 wiederum entsandte der KGB gemeinsam mit dem sowjetischen Militärgeheimdienst GRU (Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije; Hauptverwaltung für Aufklärung) im Rahmen der Operation Raketno-Jadernoje Napadenije (Atomarer Raketenangriff) zahllose „Schläfer“ in mehrere Nato-Staaten, welche im Falle eines drohenden nuklearen Konfliktes aktiviert werden sollten. Außerdem führte der KGB-Resident im Libanon, Juri Perfiljew, Geheimgespräche mit dem Hisbollah-Gründer Mohammed Hussein Fadlallah, um drei sowjetische Geiseln der Miliz freizubekommen. In diesem Zusammenhang wurde auch mit „versehentlichen“ Attacken auf das Haus der schiitischen Galionsfigur Ayatollah Musawi Chomeini gedroht.

Relativ oft gelang es dem KGB, Angehörige gegnerischer Geheimdienste anzuwerben und als „Maulwürfe“ zu verwenden. So zum Beispiel Aldrich Ames, den Leiter der CIA-Abteilung Gegenspionage UdSSR, George Blake vom britischen MI6 und Heinz Felfe (Seite 20) vom deutschen Bundesnachrichtendienst. Andererseits unterliefen dem KGB aber durchaus auch Pannen. Dazu zählte vor allem das Überlaufen hochrangiger eigener Agenten wie Major Anatoli Golizyn und Oberst Oleg Gordijewski in den Westen. Verantwortlich hierfür war die unablässige Vergrößerung des Apparates in der Ära Breschnew, denn die führte zu einem internen organisatorischen Chaos, welches unter anderem zur Folge hatte, daß sich der bereits unter Verdacht stehende Gordijewski 1985 unbehelligt ins Ausland absetzen konnte.

Kriminelle Aktivitäten auch innerhalb der Sowjetunion

Des weiteren beschädigten etliche kriminelle Aktionen das Image der angeblich völlig unbestechlichen Tschekisten. Wie der ehemalige KGB-Generalmajor Oleg Kalugin in seinen Memoiren enthüllte, erpreßte ein Major Chwostikow von der Regionalverwaltung in Rostow in den 1970er Jahren Schutzgelder von Priestern der russisch-orthodoxen Kirche. Diese und ähnliche Skandale oder Korruptionsfälle spielten ebenso eine Rolle bei dem Beschluß zur Auflösung des KGB wie dessen enge personelle Verbindungen zu erzkommunistischen und reformfeindlichen Kreisen im Lande.

Als Nachfolgeorganisationen des KGB innerhalb Rußlands entstanden Ende 1991 beziehungsweise 1993 das MBWD (Ministerstwo besopasnosti i wnutrennich del RF; Ministerium für Sicherheit und innere Angelegenheiten der Russischen Föderation) sowie der FSK (Federalnaja slushba kontrraswedki; Föderaler Dienst für Gegenaufklärung). Dann ordnete der russische Präsident Boris Jelzin am 3. April 1995 die Umwandlung des FSK in den noch heute bestehenden FSB (Federalnaja slushba besopasnosti w Rossijskoj Federazii; Föderaler Sicherheitsdienst der Russischen Föderation) an. Der fungiert seitdem weitgehend als Inlandsgeheimdienst, während der bereits im Dezember 1991 gegründete SWR (Slushba wneschnej raswedki; Dienst für Außenaufklärung) nun außerhalb Rußlands operiert.

Foto: Die Statue des Gründers des sowjetischen Geheimdienstes, Feliks Dzierzynski, wird demontiert, Moskau 1991: Weltweite Aktivität