© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/21 / 05. November 2021

Aktiv in acht Geheimdiensten
Vor sechzig Jahren wurde der Doppelagent Heinz Felfe enttarnt
Thomas Schäfer

Wenn es ein Guinness-Buch der Rekorde für Geheimdienstler gäbe, wäre Heinz Felfe ein Eintrag darin sicher. Denn der gebürtige Dresdner arbeitete zwischen 1940 und 1989 für nicht weniger als acht Geheimdienste: Nach dem Sicherheitsdienst der SS für den britischen MI6 und die bundesdeutsche Organisation Gehlen sowie den Bundesnachrichtendienst und den sowjetischen MGB und MWD beziehungsweise dann KGB und zuletzt noch für das Ost-Berliner Ministerium für Staatssicherheit. Und das nicht nur nacheinander, sondern teilweise auch parallel.

Das resultierte zum einen aus Felfes extremer Geldgier. Zum anderen hatte ihn seine NS-Vergangenheit erpreßbar gemacht. Im Reichssicherheitshauptamt war der bereits als 18jähriger 1936 in die NSDAP eingetretene Felfe immerhin bis zum SS-Obersturmführer und faktischem Leiter des Referates VI B 3 (Schweiz/Liechtenstein) avanciert; dazu kam seine mutmaßliche Mitwirkung an der Erschießung von 263 niederländischen Geiseln am 8. März 1945. Das Wissen hierüber nutzte der KGB-Vorläufer MGB, um Felfe im September 1950 von den Vorteilen einer Zusammenarbeit zu „überzeugen“. Wobei er damit einen großen Wurf landete, weil der Doppelagent „Konrad“ später die Leitung des Referates „Gegenspionage Sowjetunion“ im Bundesnachrichtendienst übertragen bekam.

US-Amerikaner hielten nach der Äffare Distanz zum BND

Felfes Verrat, für den er mehrere hunderttausend D-Mark Judaslohn kassierte, führte dazu, daß die Sowjets Kenntnis von rund 15.000 geheimen Dokumenten des BND, aber auch anderer westlicher Dienste wie der Central Intelligence Agency erlangten. Außerdem „verbrannte“ der Regierungsrat mit dem auffällig-aufwendigen Lebensstil rund einhundert Agenten der CIA und etwa noch einmal so viele BND-Spione in aller Welt. 

Seine viel zu spät erfolgte Enttarnung und nachfolgende Verhaftung am 6. November 1961 bewirkte einen extremen Ansehensverlust des BND im In- und Ausland – zumal Felfe nicht der einzige „Maulwurf“ des KGB oder der Staatssicherheit gewesen war. Die Ursache dafür, daß diese Doppelagenten so lange ihr Unwesen treiben konnten, lag vor allem in der Inkompetenz ihrer Vorgesetzten und anderer hoher Entscheidungsträger in der Bundesrepublik, welche schon damals atemberaubende Formen angenommen hatte. So schmetterte Generalbundesanwalt Max Güde (CDU) bereits Monate zuvor Ermittlungen ab, da er die Beweise nicht für ausreichend und gerichtsverwertbar hielt.

Die CIA ging gegenüber dem BND wegen der Affäre Felfe bis etwa 1975 auf spürbare Distanz. Zu diesem Zeitpunkt war der zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilte Landesverräter längst wieder frei – er wurde 1969 gegen 24 inhaftierte westliche Spione ausgetauscht und ging dann nach Ost-Berlin, um sich dort der Stasi anzudienen, die ihm auch zu einer Professur für Kriminalistik an der Humboldt-Universität verhalf. Heinz Felfe starb am 8. Mai 2008 im Alter von 90 Jahren in seinem Haus in Berlin-Weißensee.