© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/21 / 05. November 2021

Systemirrtümer
Marc Krecher über den Freiheitsfaktor im Klmawandel
Mathias Pellack

Wer den Klimawandel ganz verstehen will, darf den Wettergott Donar nicht unbeachtet lassen, möchte der Leser das Erstlingswerk des promovierten Geologen Marc Krecher umreißen. Die eigentlich im März unter dem Titel „Klimawandel, Freiheit und der Rand des Chaos“ als Book on Demand publizierte Arbeit wurde im August noch einmal sprachlich überarbeitet und um ein Kapitel erweitert. Das jetzt bei Manuscriptum unter dem Namen „Vom Klimawandel zu Corona“ erschienene Buch schlägt einen großen ideengeschichtlichen Bogen von der christlichen Missionierung der Sachsen über die strikte Unterscheidungsphilosophie des Soziologen Niklas Luhmann und das Natur- und Geisteswissenschaft vereinende Denken des französischen Philosophen Henri Bergson und die aktuelle geologische und klimawissenschaftliche Forschung hin zur bürgerlichen Freiheit. Wobei Krecher mehr dem poetischen Denken Bergsons zuneigt, als dem autopoietischen System Luhmanns.

Wie sich das alles vereinen läßt? Indem Krecher im Energiemanagement zu ergründen versucht, wie „die Vorstellung einer von uns Menschen erzeugten Klimaerwärmung tiefgreifende Konsequenzen für unser Leben und für die Stellung des Bürgers in der Gesellschaft“ nach sich zieht. Wohlgemerkt „Vorstellungen“, denn als Geologe weiß er genügend Beispiele anzuführen, in denen Gletscher mit den Wandlungen des Klimas kamen und wieder gingen. „CO2 scheint auf den ersten Blick ein Wohlstandsindikator zu sein,“ schließt Krecher bei der Betrachtung der parallelen Entwicklung der Bevölkerungszahl und des CO2-Gehalts der Luft. Die Lebenserwartung steige, die Sterblichkeit von Säuglingen sinke, und die Zahl der Todesopfer bei Naturkatastrophen sei historisch niedrig. Allein der Sozialismus habe mehr CO2 produziert, weiß der Autor, bleibt diesen Beleg aber leider schuldig. Der Sozialismus habe dabei aber weniger Wohlstand und Freiheit geschaffen. Weshalb die These, CO2 sei ein Wohlstandsindikator, nicht zutreffe. 

In den untergegangenen sozialistischen Staaten wie auch im heutigen Europa stehe vor allem die Freiheit des Einzelnen in Gefahr. „Verkürzt gesagt, geht es (beim Klimawandel) darum, die Gesellschaft von der Individualität als Irrtum des Systems zu befreien.“ Unsere Politik wird am Ende an ihren eigenen fehlgeleiteten Wünschen scheitern. Interessant an Krechers Denken ist, daß er den Konstruktivismus zwar nutzt, aber die damit Hand in Hand gehende Systemtheorie ablehnt. Sein Buch offenbart dennoch eine große Weite und ist für den europäischen Bürger von brennender Relevanz. Und es ist ein Buch, in dem zu lesen Spaß macht und das zu Gedanken anregt, selbst wenn alles falsch sein sollte. 

Marc Krecher: Vom Klimawandel zu Corona. Mit System in die Unfreiheit. Manuscriptum Verlag 2021, Lüdinghausen 2021, gebunden, 304 Seiten, 27 Euro