© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/21 / 05. November 2021

Der letzte Schrei mit oder ohne Matsch
Egal ob Waldpfütze oder Stadtpflaster: Gummistiefel liegen voll im aktuellen Modetrend
Bernd Rademacher

Gummistiefel waren bisher eine praktische Fußbekleidung für Jäger, Angler, Landwirte und Bauarbeiter. Doch seit auch urbane Landlust-Leserinnen schicken Country-Lifestyle ausstrahlen wollen, haben Mode-Influencer den Gummistiefel entdeckt. Die Hersteller reagieren und bieten trendige Modelle auch für die gehobene Preisklasse – nur dreckig werden sollten sie nicht.

Frauenzeitschriften wie Freundin, Elle, Vogue oder Für Sie haben die rustikalen Botten zum Modetrend der Herbstsaison 2021 erklärt, „und das nicht nur, wenn es regnet“. Ob zum Shoppen in der City oder für die Runde mit dem Modehund im Stadtpark: Für die elegante Dame muß es schon ein Stiefel vom französischen Hersteller von Premium-Funktionskleidung Aigle sein, aber mindestens vom Tiroler Schuhlabel Giesswein. Als Klassiker gilt der schottische „Hunter“-Gummistiefel. Geheimtip ist der Schuhmacher Le Chameau: Dessen Modell Chasseur Héritage ist für schlappe 480 Euro zu haben – dafür auch bestimmt wasserdicht. Aber sollten das nicht alle sein?

Eine G-Klasse oder ein Land Rover passen perfekt

„Im Trend liegen 2021 nicht nur Modelle mit hohen Absätzen, sondern auch im Reiter-Look“, wissen Mode-Expertinnen und klären auf: Es muß nicht immer Jägergrün oder Dunkelblau sein, „Trendsetter setzen jetzt auch auf hellere Farben à la Beige, Crème oder Weiß“. Ob Schlachter und Krabbenfischer wissen, daß ihre weißen Arbeits-Gummistiefel voll trendy sind? Noch modischer sind nur noch „Animal Prints in Leo oder Zebra“. 

Der letzte Schrei sind Gummi-Halbstiefel mit leichten Chelsea-Boots-Absätzen, mit denen man es beispielsweise „stilvoll und ohne nasse Füße durch die unbeständige Zeit des Jahres schafft“. Endlich müssen sich die Damen nicht mehr zwischen Stil und warmen Füßen entscheiden, denn die Briten-Boots „können auch mit dicken Socken getragen werden“.

Fashion-Gummistiefel machen das beliebte Country-Outfit modebewußter Städter aus Barbour-Jacken und Lodentracht endlich komplett und passen auch hervorragend zur Mercedes G-Klasse oder dem Land Rover. Es sind eben „Kleidungsstücke, die an Wald, Natur und Landleben erinnern“ – und das vielen Fotos nach anscheinend ganz ohne Dreck und Gartenarbeit, toll! Wer mit seiner Instagram-Fotostory richtig punkten will, kann mit einem Gummistiefel-Selfie auch „Fluthelfer im Ahrtal“ simulieren (dekorative Schlammspritzer nicht vergessen!).

Mit etwas Mut lassen sich Gummistiefel auch mit gewagten Stücken kombinieren. Für einen „gekonnten Stilbruch“ sorgen laut Modejournalen kurze Kleider, lange Mäntel oder ein Trenchcoat. Aber Obacht: „Setzen Sie dabei auf ein Modell mit hohem Schaft und klobigen Profil-Absätzen“, empfehlen die Ratgeberinnen. Promis wie Kate Moss machen es vor. Die Grenze zur Fetischmode verschwimmt dabei allerdings. Ob man beim Theaterbesuch die Smokinghose auch in die Gummistiefel stopfen kann? Für den Herren setzen Anglerhut und Regenstiefel sicher auch einen reizvollen Kontrast zu Business-Anzug und Krawatte. Ein Hingucker, der seinen Träger im Büro oder beim Geschäftsessen als modebewußten Mann von Welt ausweist.

Der Gummistiefel sollte natürlich nicht aus banalem PVC sein. Neben Naturkautschuk ist Neopren das angesagte Material. Doch wie pflegt man einen Almwalker Pro X (159 Euro) oder Aigle Parcours (219 Euro)? Die Tester empfehlen: Schmutz mit Wasser abwaschen, Stiefel nicht sonnig lagern, hin und wieder ein silikonhaltiges Pflegeöl verwenden. Modelle mit einem mehrere Millimeter starkem Neoprenfutter haben den großen Vorteil, daß sie bedeutend wärmer sind als herkömmliche dünne Regenstiefel. (Wo Frauen doch immer kalte Füße haben …)

Doch leider wird das Material mit der Zeit dennoch spröde. Meist bilden sich die ersten Risse auf der Innenseite zwischen Spann und Zehen, wo der Stiefel durch die Abrollbewegung des Fußes beansprucht wird. Erfahrungsgemäß versagt im Pannenfall auch das robusteste Klebeband. Dafür hilft das gute alte Fahrradschlauch-Flickzeug mit Vulkanisierkleber. Und ein Fahrradflicken auf dem Stiefelspann sorgt für einen trendigen Akzent und authentischen Heavy-Use-Look!

Foto: Nackte Beine in Gummistiefeln: Der Hype bringt „interessante“ Kombinationen hervor