© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/21 / 12. November 2021

Widerstand leisten
Zensur im Netz: Die Zeiten werden dunkler, aber Aufgeben ist keine Lösung
Ronald Gläser

Erfolg für die Initiatoren von #allesaufdentisch: Die Kritiker der Corona-Maßnahmen konnten im Oktober vor Gericht durchsetzen, daß die Löschung von zwei Youtube-Videos rückgängig gemacht wird. So erfreulich solche Nachrichten sind – so rar sind sie auch. Die Zeichen stehen auf Zensur. Youtube löscht Millionen von Videos jeden Monat. Bei Facebook und Twitter werden Nutzer gesperrt, in ihrer Reichweite beschränkt oder mit Warnhinweisen versehen.

Anfang November wurde ein Forschungsprojekt der Universität Darmstadt vorgestellt. Es soll der Identifizierung von „Haßrede“ dienen. Das Ziel liegt auf der Hand: Künstliche Intelligenz soll demnächst darüber entscheiden, was geschrieben oder gesagt werden darf – und was nicht. Das paßt zu den Plänen der EU, Chats zu überwachen. Ende Oktober hatten sich 20 EU-Abgeordnete von FDP bis Linkspartei in einem Brandbrief dagegen ausgesprochen, private Kommunikation einer anlaßlosen Massenüberwachung zu unterwerfen.

Ach, wie schön war es doch früher, als das Internet noch ein weitgehend unregulierter Bereich war! Als Sozialnetzwerke sich nicht um die Inhalte ihrer Nutzer kümmerten, sondern darum, ihr Geschäftsmodell zum Laufen zu bringen. Damals konnten sich pfiffige Nutzer schnell große Abonnenten- oder Followerzahlen aneignen – auch konservative.

Heute wird ihnen das immer schwerer gemacht. Facebook und Co. verfügen über eine gewaltige Marktmacht und eine Vielzahl von Werkzeugen, die sie vorwiegend gegen die politische Rechte zum Einsatz bringen. Donald Trump wurde gesperrt, aber Facebook führt Seiten wie  „Antifa Infos & Mobilisierungen“ (35.000 Abonnenten). Und Twitter duldet beispielsweise die Seite der afghanischen Islamisten (@TalibanSoldiers).

Wirklich neu ist das nicht. Konservative waren in den Mainstreammedien der westlichen Welt stets in der Hinterhand. Der Zeitgeist ist, wie er ist. Die Jahre des freien Internets kommen nicht zurück. Niemals. Über diese Online-Welt der 90er Jahre ohne die „der ganzen Welt aufgezwungenen Nutzerbedingungen“ sagte Edward Snowden (Jahrgang 1983): „Es war die angenehmste und erfolgreichste Anarchie, die ich jemals erlebt habe.“

Doch nun, da 93 Prozent der Deutschen über ein Smartphone verfügen und einen Großteil ihrer Zeit damit verbringen, werden die Machthaber nicht zulassen, daß die neuen Medien ihr Eigenleben entwickeln. Die Meinungsfreiheit wird mehrfach eingeschränkt: durch Zensurbestimmungen von oben wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und durch politisch korrekte Vorgaben wie die Gemeinschaftsstandards von Facebook. Im Kampf um die Meinungsfreiheit im Netz wird mit gezinkten Karten gespielt. Aufgeben ist aber keine Lösung. Es gibt mehrere Dinge, die wir tun können, um den Meinungsdruck zu verringern – hier sind sie:

Auf politischer Ebene gilt es, Verbündete auszumachen für den Kampf gegen die Massenüberwachung und Totalkontrolle. Grüne und Liberale sind nicht automatisch sofort für jede Bürgerrechtseinschränkung zu haben und leisten zumindest verbalen Widerstand gegen Zensurgesetze. Der eingangs erwähnte Brandbrief eher linker EU-Abgeordneter gegen die Überwachung von Chats ist ein gutes Beispiel. 

Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz kam auch aus der Linkspartei oder vom Chaos Computer Club. Die Demos gegen Vorhaben wie Acta oder den Uploadfilter besuchten zahlreiche junge Leute aus allen politischen Richtungen. Der Widerstand gegen Zensurgesetze und gegen überbordende Regulierung des Netzes ist bunt. Er muß in die Parlamente und auf die Straße getragen werden, damit die Regulierungsfanatiker aus den Konzernzentralen und Parteien wie Union und SPD sie nicht einfach durchwinken können. Wer selbst politisch oder publizistisch tätig ist – vom Blogger bis zum Bundestagsabgeordneten – darf die wachsende Abhängigkeit durch die großen Konzerne nicht hinnehmen. Konzerne wie Meta (Facebook und Co.) oder Alphabet (Google und Co.), die es vor dreißig Jahren noch gar nicht gab, müssen nicht zwangsläufig für alle Zeiten das Netz beherrschen.

Suchen wir nach Alternativen, ohne den Dinosauriern gleich den Rücken zu kehren. Donald Trumps neues Netzwerk Truth Social oder Gettr (JF 45/21) könnten die kritische Masse erreichen. Je mehr Netzwerke es gibt, desto besser für die Nutzer. Telegram ist ein gutes Beispiel für ein weitgehend zensurfreies Medium, das bei Konservativen und anderen Nonkonformisten rasche Verbreitung findet. Natürlich besteht immer das Risiko, daß dann nur noch die eigene Blase erreicht wird. Anbieter müssen prüfen, wann sich ein stärkeres Engagement auf neuen Plattformen lohnt. Und sie müssen E-Mailadressen sammeln, um ihre Freunde ungefiltert erreichen zu können.

Wer den Streit mit übermächtigen Gegnern nicht scheut, kann sich vor Gericht gegen willkürliche Sperrungen wehren. Das klappt erstaunlich gut, nur sind die wenigsten Nutzer zu so einem großen Aufwand bereit. Top-Anwälte wie Joachim Steinhöfel gibt es natürlich nicht zum Nulltarif – das schreckt viele Nutzer ab. Verständlich. Und doch ist jeder juristische Sieg gegen eine Willkürmaßnahme eines Sozialnetzwerks ein Erfolg für die Meinungsfreiheit.

Aber auch wer nur sein eigenes Surfverhalten kontrolliert, kann bereits etwas tun. Es muß nicht immer Google oder Amazon sein. Es gibt Alternativen unter den Suchmaschinen wie unter den Online-Händlern. Das ist kein Boykott-aufruf. Diese Unternehmen bereichern mit ihrem Service unser aller Leben. Aber Monopole führen zu verkrusteten Strukturen. Jeder aktive Marktteilnehmer hat es in der Hand, zu Lasten seiner Bequemlichkeit Kaufentscheidungen zu treffen, die ihm auch in Zukunft eine Auswahl ermöglichen. Dazu gehört auch, Webseitenbetreiber zu entlohnen. Alle großen Verlage gehen derzeit dazu über, Bezahlschranken einzuführen. 

Dieser Schritt kommt zwanzig Jahre zu spät, aber er kommt. Gute Inhalte müssen bezahlt werden. Das gilt auch für konservative Webseiten. Ein Dauerauftrag hier oder eine Einmal-Spende dort macht konservativen Journalismus möglich – ganz ohne GEZ, Politische Korrektheit oder Facebook-Sperrungen. Es kann so einfach sein.