© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/21 / 12. November 2021

Nikolai Ziegler und sein Verein „Vernunftkraft“ sammeln die Bürger, die gegen die Energiewende aufstehen.
Nach Dienst Aktivist
Friedrich-Thorsten Müller

Wenige Wochen vor dem Abschalten weiterer drei der verbliebenen sechs deutschen Atomkraftwerke häufen sich die Appelle, diese Entscheidung in letzter Minute zu revidieren. Im Reigen der Warner hört man dabei immer häufiger die Stimme der „Bundesinitiative Vernunftkraft“ mit ihrem smarten Vorsitzenden Nikolai Ziegler. Sein Verein fungiert als eine Art Dachverband für über 900 meist regionale Einzelinitiativen, die sich für eine „vernünftige Energiepolitik“ einsetzen. Bekanntheit erlangte die energiewendekritische Bürgerinitiative vor allem durch ihren prominenten, allerdings 2018 verstorbenen Mitgründer Enoch Freiherr zu Guttenberg, Dirigent und Vater des Ex-Ministers Karl-Theodor zu Guttenberg, der ein erklärter Windkraftgegner war. 

Ziegler dagegen hatte „seine 15 Minuten Ruhm“ (A. Warhol), als 2019 in den Medien der Verdacht kursierte, er könne Einfluß auf die Energiewendepolitik der Bundesregierung genommen haben. Immerhin ist der 44jährige promovierte Volkswirt seit 2010 im höheren Beamtendienst des Bundeswirtschaftsministeriums tätig, aktuell im Referat Internationale Wirtschafts- und Währungsfragen. Tatsächlich deckte die taz auf, daß er vertretungsweise persönlicher Referent des parlamentarischen CDU-Staatssekretärs Thomas Bareiß war, der bis zur Wahl der neuen Bundesregierung die Abteilung „Energiepolitik, Strom und Netze“ leitet. 

„Der von Ziegler aufgezeigte Weg in der Energiepolitik ist auf jeden Fall plausibel, mach- und bezahlbar“

Eigentlich aber eine absurde „Enthüllung“, da die Ministerien voll mit Referenten sind, die sich in der Freizeit für oder gegen etwas einsetzen. Und so stellte das Ministerium klar, daß privates Engagement weder anzeige- noch genehmigungspflichtig ist. Trotzdem fühlte man sich bemüßigt, transparent zu machen, daß Ziegler tatsächlich nicht zur Meinungsbildung in der Energiepolitik beitragen durfte. Warum eigentlich? Denn gute Lösungen entstehen meistens dort, wo auch Kritik gehört wird. 

Davon hat der aus dem Werratal in Hessen stammende passionierte Vespa-Fahrer und Hobby-Langstreckenläufer jede Menge im Angebot. Auf seinen Vorträgen, die er immer wieder bei Bürgerinitiativen hält, wird er nicht müde, sein energiepolitisches Mantra zu wiederholen: „Umweltverträglichkeit, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit“ müssen auch bei der Energieversorgung der Zukunft Hand in Hand gehen! Zudem brauche es ein Atomausstiegsmoratorium, Gaskraftwerke mit CO2-Abscheidung, ein Ende der EEG-Energiemarktstörungen sowie weltweite Waldpflanzungen statt Windräder. Explodierende Energiepreise, immer konkreter drohende, großflächige Stromausfälle und durch den Atomausstieg absehbar steigende CO2-Emissionen bestätigen seine These, daß wir wenn, dann alle drei Ziele gleichzeitig verfehlen werden.

Es ist eher unwahrscheinlich, daß sich in einer neuen Bundesregierung unter grüner Beteiligung ergebnisorientierte Vernunft durchsetzen wird. Der von Ziegler und seinen Vernunftkraft-Aktivisten aufgezeigte Weg zur CO2-Minderung ist in jedem Fall plausibel, mach- und bezahlbar. Attribute, die den von den etablierten Parteien betriebenen „wilden Ausbau“ der Erneuerbaren ohne leistungsfähige Stromspeicher und Rücksicht auf sekundengenauen Strombedarf nicht zieren.