© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/21 / 12. November 2021

„Fossiles Kapital zerschlagen“
Grüne und Gewalt: Radikale Vereine sollen im Interesse der Partei Druck ausüben / Teil 2 der Serie
Hinrich Rohbohm

Sie treten unter dem Vorwand des Klimaschutzes auf, demonstrieren für den Erhalt der Umwelt. Doch hinter den ehrenwerten Zielen verbergen sich bei den weitverzweigten Netzwerken grüner Vorfeldorganisationen oftmals Haß und Gewalt. Und während links- oder rechtsextreme Gewalt zwar in der Öffentlichkeit thematisiert wird, findet eine Diskussion über den Begriff der grünen Gewalt in den Medien bis heute faktisch nicht statt.

Dabei sind ihre Spuren gerade in Deutschland kaum zu übersehen. In der Grünen Jugend. Im Umfeld der Organisatoren von Fridays for Future, die offen mit gewaltbereiten Gruppen wie Extinction Rebellion oder Ende Gelände kooperieren.

Erst vor wenigen Wochen forderte mit Carla Reemtsma eine der führenden Köpfe der Fridays-for-Future-Bewegung eine „Radikalisierung der Aktionsformen“. Darüber, was man sich darunter vorstellen muß, bleibt sie weitgehend nebulös. „Es braucht die Menschen, die von der Straße aus Druck machen. Es hat nicht jeder das Privileg, in eine Partei einzutreten“, weicht sie in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ der Frage aus, warum sie nicht den parlamentarischen Weg für ihre „Aktivitäten“ wähle. Warum sie nun angeblich nicht dieses „Privileg“ eines Parteieintritts haben soll, bleibt in der Sendung unbeantwortet.

„Aufgeschlossen, Pipelines in die Luft zu jagen“

Als Beispiel für eine Radikalisierung nennt sie „weitere Aktionen zivilen Ungehorsams.“ Wie etwa die Blockade von Parteizentralen der sich abzeichnenden Ampel-Koalition. Es ist ein weiteres Beispiel für die Arbeitsteilung der Grünen zwischen dem Öko-Parteiestablishment auf der einen sowie ihren Nachwuchs- und Vorfeldorganisationen auf der anderen Seite. Deutlich wird das auch in einem Brief, den Grünen-Chefin Annalena Baerbock erst kürzlich im Namen des Bundesvorstandes an mehrere, der Ökopartei nahestehende Umweltorganisationen verschickte. Unter anderem an Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz. Darin bittet sie die Organisationen um Hilfe, in Klimafragen den Druck auf die Ampel-Gesprächspartner SPD sowie FDP zu erhöhen.

Es dürfte sich dabei um jene Menschen handeln, die nach den Vorstellungen von Carla Reemtsma „von der Straße aus Druck machen“. Wie dieser Druck aussieht, wurde bereits vor den Parteizentralen deutlich. Allein, daß in Deutschland demokratisch gewählte Parteien von einem aggressiven Mob auf der Straße an ihrer Arbeit gehindert werden, weckt Erinnerungen an finsterste Zeiten deutscher Geschichte. Daß angesichts des Briefs der Ökopartei-Führung die Grünen-Zentrale ebenfalls blockiert wurde, wirft ein neues Licht auf die Aktionen. Wird hier nur zum Schein ein Protest bei den Grünen vorgespielt? „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ stimmen die um Hilfe gebetenen „Aktivisten“ an. „Kapitalismus? Auch grün angemalt kacke“, heißt es auf einem Transparent ebenso wie „One struggle, one fight.“ Ein Spruch, den die Grünen-Politikerin Claudia Roth 2019 als Überschrift für ihr Plädoyer einer feministischen Klimapolitik benutzte und der der gewaltbereiten linksautonomen Szene als Kampfbegriff dient. Gleichzeitig ist es der antisemitische Slogan von Unterstützern palästinensischer Terrorgruppen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries sprach angesichts dieser Haßparolen von einer „Nazi- und Kommunistenrhetorik.“ Und: „Wenn sich bislang vereinzelte Radikalisierungs-tendenzen als Mittel zur Durchsetzung der eigenen Ziele bei Fridays for Future weiter verbreiten, wird auch der Verfassungsschutz ein Auge auf diese Entwicklung werfen müssen.“

Diese Rhetorik ist jedoch kein Ausrutscher. Auch in bezug auf antisemitische Tendenzen geben Klimaaktivisten rund um Fridays for Future ein fragwürdiges Bild ab. So teilte Klima-Ikone Greta Thunberg in diesem Sommer einen Twitter-Eintrag der Israel-Hasserin Naomi Klein, als die islamistische Terrorgruppe Hamas Hunderte Raketen auf Israel abfeuerte . In dem Tweet warf Klein Israel „ein Kriegsverbrechen nach dem anderen“ vor. Und auf einer Fridays-for-Future-Demo in Mailand präsentierte sich Thunberg neben ihrem Freund, der dort einen anti-israelischen Schal zur Schau stellte. Doch innerhalb des grün-alternativen Milieus bleibt es längst nicht nur bei verbalen Gewaltausbrüchen. Inspiration für die Fridays-for-Future-Bewegung und Carla Reemtsmas Radikalisierungsforderungen ist der schwedische Politikjournalist und „Humanökologe“ Andreas Malm. In Schweden gehört der 44jährige der trotzkistischen Sozialistischen Partei (SP) an, steht für einen erneuerten ökologischen Marxismus.

Was er sagt, steht den Äußerungen Reemtsmas sehr nah. „Wir sollten unsere Taktik diversifizieren, offen sein für radikalere Auseinandesetzungen, die ähnlich wie die Black-Lives-Matter-Bewegung auch eine militante Komponente haben“, erklärte Malm Anfang Juli in einem Interview mit der Zeit. Je schneller sich die Welt erwärme, „desto aufgeschlossener werden die Menschen sein, Pipelines in die Luft zu jagen“. Die Effekte, die von Gewalt gegen Sachen ausgingen, seien „wichtig“, betont er. Und schwärmt davon, wie die Black-Lives-Matter-Bewegung in Minneapolis eine Polizeiwache gestürmt und angezündet hatte. „Die Stürmung der Polizeiwache hat den Menschen auch gezeigt, daß die Infrastruktur der Polizeigewalt nicht unantastbar ist. Genau dieses Gefühl sollte auch die Klimabewegung beflügeln.“ Zudem müsse der „Staat eingreifen und das fossile Kapital zerschlagen“.

Auch eine weitere Aussage Malms läßt in ihrer Ähnlichkeit zu Carla Reemtsma aufhorchen: „Entscheidungen, wie etwa aus der Kohle auszusteigen, müssen im Parlament fallen, doch der Druck dazu entsteht außerhalb.“ Er relativiert den Parlamentarismus: „ Demokratie ist viel mehr als das, was in den Parlamenten passiert. Warum kam die Kohle-Kommission in Deutschland überhaupt zusammen? Weil es Initiativen wie Ende Gelände gibt, die über Jahre massiv Druck aufgebaut haben.“

Hinter Ende Gelände verbirgt sich eine gewaltbereite linksextreme Szene rund um die sogenannte Interventionistische Linke (IL), die laut Verfassungsschutz als Scharnier zwischen militanten Gruppierungen und nicht gewaltorientierten Gruppen fungiere. Mit dem Ziel, die Gesellschaft zu „radikalisieren.“

Während Fridays for Future eng mit der von der IL gesteuerten Ende-Gelände-Gruppierung kooperiert, sucht der Kopf von IL noch eine andere Form der Auseinandersetzung. So wie Carla Reemtsma und Luisa Neubauer als Gesichter von Fridays for Future gelten, ist dies die sich selbst als Kommunistin bezeichnende Emily Laquer für die IL. Die Mitorganisatorin der G20-Krawalle von Hamburg 2017, bei denen Hunderte von Polizisten verletzt worden waren, hat eine sogenannte Aktivistinnen-Agentur mit dem Namen „hartaberlinks“ gegründet, in der sie Schüler für Fernsehauftritte in Talkshows trainiert. Am Wochenende sprach sie auf der Landesmitgliederversammlung der Grünen Jugend Niedersachsen. Thema: „Keine Scheu vor der radikalen Linken“. Laut der frisch gewählten Grüne-Jugend-Landessprecherin Pia Scholten begann Laquer ihre Rede mit den Worten: „Hallo, ich bin Emily Laquer und ich bin linksradikal.“ Pippa Schneider, die zur Kandidatin der Grünen Jugend für die Landtagswahl 2022 gewählt wurde, jubelte: „Emily Laquer mit einer mega empowernden Ansprache auf der Landesmitgliederversammlung der Grünen Jugend Niedersachsen über die Frage, was linke Politik eigentlich ist.“ Laquer kam zu dem Schluß: „Die Ampel ist es nicht!“

Als die ARD während der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes ihre Sendung „Wahlarena“ ausstrahlte, trat dort auch eine von Laquers Schülerinnen aus dem Umfeld von Fridays for Future auf, um dem CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet fragen zu stellen. „Diese krasse Aktivistin durfte ich beim letzten Hartaberlinks-Talkshowtraining kennenlernen“, jubelte Laquer in den sozialen Medien. Und die „krasse Aktivistin“ schrieb im Netz: „Dank des Trainings bin ich ja jetzt super vorbereitet, um ihn fertigzumachen.“ Eine weitere von der Agentur geschulte Aktivistin kam aus der Black-Lives-Matter-Szene, wurde ebenfalls von der ARD in die „Wahlarena“-Sendung für Fragen an Laschet geladen.

Wie dieses „Fertigmachen“ politisch Andersdenkender funktioniert, lesen Sie in Teil 3 der Serie in der kommenden Ausgabe

Foto: Demonstration radikaler Klima-Aktivisten: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“