© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/21 / 12. November 2021

Grüße aus … San Francisco
Peitsche statt Zuckerbrot
Elliot Neaman

San Francisco im Jahr 2021: Unsere Straßen sind voll von Landstreichern, die auf den Bürgersteigen kampieren oder Zeltstädte neben Straßen und Autobahnen errichten, die offen harte Drogen konsumieren und damit handeln, die örtlichen Geschäfte bestehlen, auf den Boden kacken und umherwandern, fast immun gegen polizeiliches Eingreifen. Sie müssen sich in San Francisco wie Götter fühlen.

Der Grund für diese städtische Verschandelung liegt in der Politik der progressiven Mehrheitskoalition im Rathaus von San Francisco (dem sogenannten Board of Supervisors), die an der Ideologie festhält, daß Obdachlose Opfer des Raubtierkapitalismus sind und um jeden Preis unterstützt werden müssen. Offensichtlich verdienen sie alle eine eigene, kostenlose Wohnung in einer Stadt, in der die Miete für eine Einzimmerwohnung über 3.000 Dollar beträgt. Ein alter Witz definiert den Unterschied zwischen Katzen und Hunden so, daß Hunde ihre Besitzer als Götter betrachten, weil sie sie füttern und beherbergen, während Katzen aus demselben Grund denken, daß sie selbst Götter sein müssen. Die Obdachlosen in San Francisco denken wie Katzen, weil sie so viele kostenlose Hilfen erhalten.

Ein großer Prozentsatz der Obdachlosen in Frisco ist drogenabhängig oder psychisch krank. 

Aber mehr als die Hälfte der Obdachlosen in den USA lebt in nur vier Staaten: Kalifornien, New York, Florida und Texas. Der gemeinsame Faktor, der Obdachlose in diese Staaten lockt, ist das milde Wetter, während New York durch eine Fülle von Wohlfahrtsprogrammen zur Unterstützung von Menschen, die auf der Straße leben, erklärt werden kann. Kalifornien ist insofern einzigartig, als hier die Hälfte der Obdachlosen des gesamten Landes lebt, 51 Prozent, neunmal mehr als in Texas. Die neuesten Statistiken zählen etwa 8.000 Menschen in San Francisco als „ohne Obdach“, keine hohe  Zahl, aber der Schaden, der der Stadt in Form von Kriminalität, Drogenkonsum und unsicheren Straßen zugefügt wird, beläuft sich auf einen viel höheren Prozentsatz.

Michael Shellenberger, ein Bewohner der Bay Area und Umweltaktivist, hat ein bahnbrechendes Buch namens „San Fransicko – Warum Progressive Städte ruinieren“ auf den Markt gebracht. Er gibt der jüngsten progressiven Übernahme der Stadt die Schuld. Obdachlose werden nun ausschließlich als Opfer betrachtet und sollen keine Verantwortung für ihr Handeln tragen, da die Schuld woanders liege. Das Buch enthält Berge von Statistiken. Die wichtigste Lektion: Eine Stadt kann nicht nur Zuckerbrot, sondern auch Peitsche einsetzen. 

In San Francisco wollen Familienangehörige und Freunde, daß die Stadt ihre Angehörigen in Programme oder psychiatrische Einrichtungen einweist, aber solange sie als unschuldige Opfer gelten, ist Verhätscheln und Verwöhnen die einzige Unterstützung, die sie erhalten.