© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/21 / 12. November 2021

Die Fed drosselt ihre Anleihekäufe, die EZB behält Inflations-Kurs bei
Der Fluch des Geldes
Ulrich van Suntum

Die Corona-Pandemie hat weltweit gigantische Kosten verursacht. Produktionsausfälle, Konsumrückgang und Firmenpleiten ließen die globale Wirtschaftsleistung 2020 um 3,5 Prozent schrumpfen. Doch trotz rückläufiger Steuereinnahmen und Rekordausgaben geriet kein Industrieland in ernsthafte Finanzprobleme. Wie kann das sein? Das Geld kam letztlich aus der Druckerpresse: Der Staat verschuldet sich bei Banken und Privatanlegern, die seine Wertpapiere kaufen. Eigentlich müßten dadurch die Zinsen steigen, denn dieser Finanzbedarf tritt ja zur normalen Kapitalnachfrage hinzu. Jetzt aber kommen die Zentralbanken ins Spiel, die genau das verhindern. Sie kaufen den Privaten die Staatspapiere ab und bezahlen dafür mit frisch gedrucktem Geld. Dadurch werden die Zinsen niedrig gehalten, so daß der Staat sich scheinbar kostenlos immer mehr verschulden kann.

Muß das aber nicht zu Inflation führen? Nein, sagen die Vertreter der Modern Monetary Theory (MMT; JF 25/20). Zusätzliche Staatsnachfrage sei vielmehr sogar dringend nötig, um die schwache Nachfrage des privaten Sektors auszugleichen. Nicht nur wegen Corona, sondern auch aus demographischen Gründen werde nämlich viel zu viel gespart. Wenn aber alle aus Vorsicht oder wegen der Altersvorsorge ihr Geld zusammenhalten, müsse der Staat eben um so mehr ausgeben. Sonst drohe Deflation, und auch der Zins würde dann ins Bodenlose sinken. In Deutschland wird diese aus den USA stammende These etwa von Carl Christian von Weizsäcker (Uni Köln) vertreten, einem liberalen Ökonomen, der in dieser Frage aber ganz auf der Linie der „Postkeynesianer“ liegt. Tatsächlich haben nahezu alle Zentralbanken in den vergangenen Jahren ihre Geldmenge massiv ausgeweitet. Sogar die Schweiz mußte dabei mitmachen, weil sonst der Franken zu stark aufgewertet hätte. In den USA stieg die Geldmenge seit der Weltfinanzkrise 2009 um etwa 230 Prozent. Jetzt aber hat man ausgerechnet dort kalte Füße bekommen: Die Fed fährt ihre Anleihekäufe zurück. Denn in Wirklichkeit steht die MMT auf tönernen Füßen, wie selbst prominente keynesianische Ökonomen kritisieren. So nennt sie der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman (City University of New York) „ein Rezept für sehr hohe Inflation, vielleicht sogar Hyperinflation“. Der frühere US-Finanzminister Larry Summers sprach von „Voodoo-Ökonomie“, die mitverantwortlich für die jüngsten Hyperinflationen in Südamerika gewesen sei.

Tatsächlich argumentieren Ökonomen wie von Weizsäcker auf der Basis weltfremder Modelle, in denen Geld überhaupt nicht vorkommt. Daher können diese nicht zwischen Ersparnis und Liquiditätsbildung unterscheiden und unterschätzen so die Inflationsgefahr, die von den angehäuften Geldbeständen ausgeht. Das Perpetuum mobile von Geldschöpfung und Staatsfinanzierung wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein. In Wirklichkeit hat es noch immer zu Geldentwertung und letztlich zum Staatsbankrott geführt, wenn auch nicht immer sofort. Es ist wie beim Dopingmißbrauch, dessen Langzeitfolgen oft erst spät, dann aber um so drastischer auftreten. Die EZB sollte daher der Fed folgen und endlich auf die Bremse treten, wenn auch behutsam. Denn sonst hilft nur noch ein kalter Entzug – oder der Euro wird im Inflationsrausch enden.






Prof. Dr. Ulrich van Suntum lehrte bis 2020 VWL an der Wilhelms-Universität Münster.