© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/21 / 12. November 2021

Der 300-Milliarden-Mann
Aktienmarkt: Tesla-Chef Elon Musk beeindruckt Privatanleger / Wohin mit dem Corona-Geld?
Thomas Kirchner

Tesla hat in diesem Jahr erneut alle Skeptiker Lügen gestraft. Nicht nur hat die Firma überlebt, sondern sogar erstmals Gewinne erwirtschaftet, derzeit 2,2 Milliarden Dollar jährlich. Die Elon-Musk-Fangemeinde kauft nicht nur begeistert E-Autos und Schnickschnack wie Mützen oder Flammenwerfer, auch die Tesla-Aktie wird von Privatanlegern auf neue Höchststände gehoben. Tesla ist zwar Nischenanbieter, hat aber einen Börsenwert von mehr als einer Billion Dollar, eine Marke, die nur von Alphabet (Google) und Meta Platforms (Facebook) überschritten wird, Apple und Amazon kommen sogar auf über zwei Billionen. Sein eigener Anteil von über 300 Milliarden Dollar macht Musk zum derzeit reichsten Mann der Welt.

Bewertung rechnet sich in keinem optimistischen Wachstumsszenario 

Teslas Höhenflug folgt der Ankündigung der Autovermietung Hertz, 100.000 Tesla-Limousinen vom Typ Model 3 zu kaufen. Rätsel gibt ein Tweet Musks auf, es gäbe keinen Vertrag. Die Bestellung hätte einen Wert von über vier Milliarden Dollar. Bei einer Marge von etwa sieben Prozent dürfte Tesla dadurch 280 Millionen Dollar Gewinn erwirtschaften. So gerechnet haben Anleger aber offenbar nicht, denn Teslas Börsenwert stieg um 300 Milliarden Dollar, das Tausendfache des aus der Bestellung zu erwartenden Gewinns. Tesla wird jetzt zum 600fachen des Jahresgewinns bewertet, bei BMW, VW und Daimler ist es nur das Siebenfache. Hohe Bewertungen können gerechtfertigt sein, wenn Unternehmen schnell wachsen. Aber Teslas Bewertung rechnet sich mit keinem noch so optimistischen Wachstumsszenario.

Viele Profis meiden die Aktie wegen der hohen Bewertung und der im Vergleich zu früheren Jahren geringeren Wachstumsmöglichkeiten. Der Kurssprung scheint auf Käufe durch Privatanleger zurückzugehen, teilweise wohl auch Nutzer des Forums Reddit, dem in diesem Jahr bereits bei Gamestop eine Schlüsselrolle zukam (JF 6/21). Mit geringem Kapitaleinsatz konnten diese Anleger in Optionen den Anstieg verstärken. Im Index S&P 500 wird die Gewichtung jetzt erhöht, so daß passive Indexanleger trotz der Überbewertung zu weiteren Käufen gezwungen sind. Redditnutzer, die sich selbst als „Affen“ bezeichnen, haben neben Tesla auch ihre alten Lieblinge wieder gejagt. GameStop stieg seit Ende Oktober um ein Viertel, und auch die bisher unbekannte Kryptowährung Shiba Inu stieg als Wiederholung der Dogecoin-Hausse.

Die Flut von Coronahilfen und Expansion der Geldmenge, in den USA um 35 Prozent in zwölf Monaten, spiegelt sich in Inflation und irrationalen Aktienbewertungen wider. Der Eletrokleinlasterhersteller Rivian plant einen Börsengang mit einer Bewertung von 53 Milliarden Dollar, obwohl die Firma im laufenden Jahr nur 1.000 Fahrzeuge verkaufen wird. Toyota verkauft etwa elf Millionen Fahrzeuge pro Jahr, erwirtschaftet 22 Milliarden Dollar Gewinn und ist mit 296 Milliarden Dollar Marktwert vergleichsweise ein Schnäppchen. Aktien von Tesla und anderen E-Autofirmen sind keine rationelle Anlage, sondern spekulative Kasinowerte.

Kommt eine Rückkehr zu etwas mehr Rationalität?

Musk selbst gibt sich gewohnt kämpferisch, insbesondere angesichts zunehmender Forderungen nach Umverteilung von Milliardenvermögen. Vom Direktor des Welternährungsprogramms (WFP), David Beasley, der sechs Milliarden von Musk und Amazon-Chef Jeff Bezos zur Hungerbekämpfung gefordert hatte, wollte Musk eine Aufstellung über die Verwendung der Gelder. Er fürchtet Verschwendung in der Verwaltung. Er ist aber bereit, das Geld zu spenden. Am Wochenende dann befragte Musk Twitternutzer, ob er zehn Prozent seiner Aktien verkaufen und dann Kapitalertragsteuer zur Umverteilung zahlen solle – 80 Prozent bejahten dies. Sollte Musk sein Versprechen halten und tatsächlich verkaufen, würde der Tesla-Aktiekurs stark sinken. Für eine Rückkehr zu etwas mehr Rationalität wäre das gar nicht so schlecht.