© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/21 / 12. November 2021

CD-Kritik: Gustav Mahler – John Barbirolli
Musikalisches Lächeln
Jens Knorr

Er hat viel für die Durchsetzung Gustav Mahlers im Konzertrepertoire getan, insbesondere als langjähriger Dirigent des Hallé Orchestra, Manchester, und als Gastdirigent führender Orchester des alten und neuen Kontinents. Die Symphonien und Orchesterlieder, die John Barbirolli, der besessene Probierer, im Tonstudio aufgenommen hat, sind nun bei Warner in einer preiswerten Box herausgekommen: die Erste als die einzige, die Barbirolli mit seinem, dem Hallé Orchestra aufgenommen hat (1957), die Fünfte (1969) und Sechste (1967) mit dem New Philharmonia Orchestra, die Lieder, von Janet Baker mit Strenge, Autorität und Dringlichkeit gesungen, und die berühmt gewordene Aufnahme der Neunten mit den Berliner Philharmonikern. Nach dem großen Erfolg der Aufführung von 1963 hatten die Philharmoniker den Dirigenten um eine gemeinsame Aufnahme gebeten, die ein Jahr später stattfand, die erste der Berliner mit einem britischen Dirigenten seit 1937.

Wo Mahler seine persönlichen und die bevorstehenden Katastrophen des neuen Jahrhunderts auskomponiert, da wird unter Barbirolli immer alles gut. Seine Dirigate spätromantischer Bauart, voller Sentiment, ohne die Grenze zur Sentimentalität zu überschreiten, gehen auf warmen Mischklang aus, der sich von den tiefen Streichern her aufbaut: Himmel und Hölle im Menschen versöhnt.

John Barbirolli führt den Hörer zu Mahler hin, aber um anzukommen, muß der Geführte die Hand seines freundlich lächelnden Führers auch wieder lassen.

Gustav Mahler Symphonien Nr. 1, 5, 6 und 9, Lieder Warner Classics 2021  www.warnerclassics.de