© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/21 / 12. November 2021

Negative Folgen der unkontrollierten Zuwanderung nach Deutschland
Die Integrationssaga
Martin Wagener

Die Zuwanderungspolitik ist erfolgreich aus dem Bundestagswahlkampf 2021 herausgehalten worden. Bis zum Schluß wurde ein Thema gemieden, das im Falle einer offenen Diskussion erhebliche Zentrifugalkräfte entfalten kann. Die aktuellen Entwicklungen deuten darauf hin, daß sich dies bald ändern wird. Nach der Hochphase der Corona-Pandemie werden die Grenzen wieder durchlässiger, was auch den Migrationsdruck auf die Mitte Europas erhöht. Deutschland wird mit weiterer Zuwanderung rechnen müssen. 2020 wurden 102.581 Erstanträge auf Asyl gestellt, von Januar bis Oktober 2021 waren es bereits 114.966.

Von einer aktiven Gestaltung dieses Prozesses ist die Bundesregierung weit entfernt. Die Grenze kann und soll nicht geschützt werden, da alle gesellschaftlichen Weichen Richtung multikulturelle Willensnation gestellt worden sind. Artikel 16a Absatz 2 des Grundgesetzes ist de facto außer Kraft gesetzt worden. Wer illegal einreisen möchte, der schafft es auch. Viele Migranten dürften zudem mitbekommen haben, daß aus dem deutschen Asylrecht in der Praxis ein Bleiberecht geworden ist. Die sich am Horizont abzeichnende neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP dürfte diese Lage verschärfen, wie jüngste Forderungen nach einem leichteren Familiennachzug zeigen.

Auch ein Bundeskanzler Olaf Scholz wird dann an jener Integrationssaga festhalten, die seit der Ära von Gerhard Schröder eingeübt worden ist und seitdem im Stile einer maoistischen Massenkampagne öffentlichkeitswirksam präsentiert wird: Zuwanderung sei, das ist die Basisannahme, grundsätzlich eine Bereicherung. Sie sorge für hinreichend Arbeitskräfte im Land, mit denen langfristig das Rentensystem stabilisiert werde. Die Aufnahme von Migranten sei fürderhin unproblematisch, wenn die richtigen Integrationsmaßnahmen durchgeführt werden. Einheimische und Neuankömmlinge müßten sich nur genug Mühe geben, dann funktioniere das Zusammenleben.

Daß Zuwanderung ein Gewinn für Deutschland sein kann, hat die Vergangenheit mehrfach gezeigt. Die Hugenotten aus Frankreich wurden zu einer Stütze des preußischen Staates. Am Wirtschaftswunder der frühen Bundesrepublik hatten auch Migranten ihren Anteil. Das kulinarische Angebot ist durch Ausländer zweifellos bereichert worden. In vielerlei Hinsicht kann vom Fremden außerdem gelernt werden. Würden sich die Deutschen zum Beispiel stärker an den sozialen Umgangsformen von Taiwanern und Japanern orientieren, wäre dies ein Gewinn für das hiesige Zusammenleben. Ein vollkommen homogenes Volk kann daher niemand wollen, es wäre geistig und kulturell arm.

Es ist also nicht die Zuwanderung per se, die als Problem markiert werden kann, sondern ihre Ausgestaltung. Kommen in zu kurzer Zeit zu viele Menschen in ein fremdes Land, überfordern sie die Aufnahmegesellschaft. Passen dabei auch die kulturellen Schnittstellen nicht zusammen, werden die Herausforderungen größer. Von einer Bereicherung kann spätestens dann nicht mehr gesprochen werden, wenn es keinen Selektionsmechanismus gibt, der zwischen Qualifizierten und schlecht Ausgebildeten unterscheidet.

Angela Merkel hatte die Lage eigentlich korrekt eingeschätzt, als sie im November 2004 sagte: „Die multikulturelle Gesellschaft ist grandios gescheitert.“ Im Oktober 2010 erklärte sie: „Der Ansatz für Multikulti ist gescheitert, absolut gescheitert!“

In der praktischen Umsetzung folgte nichts aus dieser Erkenntnis. Ganz im Gegenteil: In der Amtszeit der Bundeskanzlerin ist der Anteil der in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund im weiten Sinne von 18,6 auf 26,7 Prozent (2020) angestiegen. Das hat zunehmende Konsequenzen für das Identitätsgefühl vieler Autochthoner, die sich in ihren Städten nicht mehr heimisch fühlen. In München liegt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im weiten Sinne bei 45,7 Prozent (2020), in Frankfurt am Main bei 54,1 Prozent (2019) und in Offenbach bei 63,9 Prozent (2020).

Jenseits subjektiver Aspekte wie dem natürlichen Identitätsbedürfnis jener, die sich als Teil der deutschen Kulturnation betrachten, gibt es handfeste objektive, negative Folgen der Zuwanderung. Sie betreffen die Belastung der Staatskasse und die Schwächung der inneren Sicherheit. Ein Blick auf die nachfolgenden Zahlen zeigt, warum die politisch-mediale Elite eine solche Debatte scheut. Sie verdeutlichen nämlich, daß die Integrationssaga auf beweglichem Dünensand aufbaut.

Zunächst kostet die unkontrollierte Zuwanderung Geld. Die flüchtlingsbezogenen Belastungen des Bundeshaushalts (ohne Fluchtursachenbekämpfung) sind für 2019 bis 2024 mit 71,7 Milliarden Euro angesetzt worden. Die deutsche Gesellschaft finanziert dabei viele Menschen, von denen sie in monetärer Hinsicht langfristig nichts zu erwarten hat. 2020 hatten 46,2 Prozent der eingereisten Afghanen keine Schule besucht oder maximal Grundschulniveau erreicht (Nigerianer: 41 Prozent, Iraker: 42,1 Prozent, Somalier: 62 Prozent). Entsprechend groß ist die Wahrscheinlichkeit, ohne selbstgeneriertes Einkommen zu bleiben oder nur schlecht entlohnt zu werden. Die Bundesagentur für Arbeit stellte im August 2020 fest: „Zwei Drittel der Vollzeitbeschäftigten aus den wichtigsten Asylherkunftsländern waren Ende 2019 im unteren Entgeltbereich beschäftigt.“ Sie üben zumeist Helfertätigkeiten aus.

Viele Zuwanderer werden mit ihren Jobs daher nicht nur einen geringen Beitrag zum Einkommensteueraufkommen leisten. Ihnen fließen langfristig auch weitaus größere Beiträge aus dem Renten- und Gesundheitswesen zu, als sie selbst einzahlen. Und das ist für nicht wenige bereits das Positiv-Szenario, soweit sie überhaupt Arbeit finden. Als Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) sind Menschen mit Migrationshintergrund im weiten Sinne mit einem Anteil von 61,2 Prozent (2020) überproportional vertreten. Selbiges gilt mit 57,1 Prozent (2020) für den Bereich der Sozialhilfe.

Zu den Tabu-Themen gehört auch die Betrachtung der Wohnungsnot im unteren Einkommenssektor. Wenn viele Deutsche darüber klagen, keine bezahlbare Bleibe mehr zu finden, hat dies auch etwas mit der unkontrollierten Zuwanderung zu tun. Von Anfang 2015 bis Oktober 2021 sind 1.884.573 Erstanträge auf Asyl gestellt worden. Viele dieser Menschen sind zu Konkurrenten auf dem Wohnungsmarkt geworden.

Im Bereich der inneren Sicherheit sind die Probleme ebenso sichtbar. Dies bezieht sich nicht nur auf die oft zitierten „Araber-Clans“, die in der Summe über eine Stärke von 200.000 Personen verfügen sollen. Ausländer sind generell in den polizeilichen Kriminalstatistiken prominent vertreten. 2020 gab es in Deutschland 1.969.617 Tatverdächtige. 33,7 Prozent waren – inklusive „reisender Täter“ – Ausländer (ohne Deutsche mit Migrationshintergrund), obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bei 12,6 Prozent lag. Dieser Überhang läßt sich in vielen Deliktsfeldern beobachten: Gewaltkriminalität 38,2 Prozent; Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen 40,6 Prozent; Taschendiebstahl 73,4 Prozent. Anfang September 2021 wurde bekannt, daß in den Hochwassergebieten Nordrhein-Westfalens 145 Tatverdächtige ermittelt werden konnten. Ihnen wurden Straftaten zugeschrieben, die der Volksmund „Plünderungen“ nennt. Über 80 Prozent hatten nicht die deutsche Staatsangehörigkeit.

Besonders gefährdet ist das weibliche Geschlecht, was auch damit zusammenhängt, daß einem starken Überhang junger eingewanderter Männer kein adäquates Angebot junger Frauen aus der eigenen Ethnie gegenübersteht. So kam es in der Silvesternacht von Köln 2015/16 zu einem Zivilisationsbruch vorher ungekannten Ausmaßes. 661 Frauen berichteten, Opfer einer sexuellen Straftat geworden zu sein. Die Migrationskrise hat auf die Zunahme solcher Verbrechen katalytisch gewirkt. 2014 registrierte das Bundeskriminalamt 949 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, an denen Zuwanderer beteiligt waren. 2018 waren es bereits 6.046 Fälle (Steigerungsrate: 537,1 Prozent).

Die Zahl der Gruppenvergewaltigungen wird für 2020 mit 704 angegeben. Der Anteil der tatverdächtigen Ausländer lag bei 46 Prozent, wobei Afghanen, Syrer und Iraker die Statistiken anführen. Die Zahlen spiegeln sich in den Gefängnisbelegungen wider. Im Februar 2019 wurden die folgenden Angaben bekannt: In Hamburg waren 61 Prozent der Insassen Ausländer, in Berlin 51 Prozent und in Baden-Württemberg 48 Prozent.

Da die Migration derzeit mehrheitlich aus dem islamischen Raum erfolgt, hat auch die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime zugenommen – von 4,4 bis 4,7 Millionen Ende 2015 auf 5,3 bis 5,6 Millionen 2019. So ist jenes Milieu gewachsen, das erhebliche Probleme mit den Errungenschaften des Grundgesetzes hat. 2015/16 förderte eine Umfrage zutage, daß 47 Prozent der in Deutschland lebenden Türken der Aussage zustimmen, die „Befolgung der Gebote meiner Religion ist für mich wichtiger als die [der] Gesetze des Staates, in dem ich lebe“. Auch antisemitische Vorfälle haben im Zuge dieser Entwicklung zugenommen. Hinzu kommt die tägliche Terrorismusgefahr. Das Bundesamt für Verfassungsschutz schätzt das Islamismus-Potential für 2020 auf 28.715 Personen.

Sicherlich können die meisten Menschen mit Migrationshintergrund als treue Demokraten angesehen werden. Sie sind nicht besser und nicht schlechter als die Autochthonen. Dies sollte aber nicht dazu führen zu ignorieren, daß die Zuwanderung Unqualifizierter vor allem Kosten verursacht. Auch läßt sich nicht übersehen, daß in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland Parallelgesellschaften entstanden sind, die negative Folgen zeitigen. Damit ist mit Blick auf die innere Sicherheit das zentrale Argument angesprochen: Probleme gehen abstrakt nicht vom einzelnen Migranten aus, sondern von Milieus mit eigenen kulturellen Normen und tradierten Handlungsmustern, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind. Sie erleichtern im Einzelfall jenes Verhalten, das für die Gesellschaft zur Herausforderung werden kann.

Dies wurde ein weiteres Mal deutlich, als im Frühjahr 2021 bekannt geworden war, daß in deutschen Krankenhäusern 50 bis 90 Prozent der Intensivbetten auf den Corona-Stationen von Migranten belegt werden. Dafür sei, so hieß es, unter anderem die Sprachbarriere verantwortlich, da viele Ausländer die ausgegebenen Verhaltensregeln nicht verstanden hätten. Mangelnde Sprachkenntnisse sind wiederum ein typisches Merkmal einer Parallelgesellschaft.

Je deutlicher sichtbar wird, daß die Zuwanderungspolitik der Bundesregierung gescheitert ist, desto stärker wird versucht, die Lage durch die Annahmen der Integrationssaga zu beschönigen. Es ist wie im Krieg, wenn ein General nicht einsehen will, daß die Schlacht verloren ist. Statt die Front zu verkürzen, werden weitere Ressourcen im Gefecht vergeudet. Das läßt sich durchaus auf den betrachteten Fall übertragen. Eine Frontverkürzung würde bedeuten, der Gesellschaft eine Pause zu gönnen, wozu die Zuwanderung aus Konsolidierungsgründen vorläufig zu stoppen wäre. Der absehbare Weg der neuen Bundesregierung wird dagegen die Grundlagen für interreligiöse und interethnische Konflikte weiter ausbauen.






Prof. Dr. Martin Wagener, Jahrgang 1970, ist seit 2012 Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Politik und Sicherheitspolitik am Fachbereich Nachrichtendienste der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Berlin. In den Folgen 6 und 7 seines neuen Podcasts hat er das Thema dieses Beitrags vertieft.

 https://martin-wagener.org

Martin Wagener: Kulturkampf um das Volk. Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen. Olzog Verlag, Reinbek 2021, gebunden, 512 Seiten, 26 Euro

Foto: Deutschland wird mit weiterer Zuwanderung rechnen müssen: Von einer aktiven Gestaltung dieses Prozesses ist die Bundesregierung weit entfernt.