© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/21 / 12. November 2021

Frisch gepreßt

Universalgenies. Wer die sich im 19. Jahrhundert verfestigende und „Fachidioten“ in Serie züchtende „Kultur der Spezialisierung“ betrachte, müsse erwarten, nach dem Tod Goethes (1832) und Alexander von Humboldts (1859) keine Universalgelehrten mehr anzutreffen. Dem ist nicht so, wie Peter Burkes anekdotenreich-vergnügliche Studie über „Giganten der Gelehrsamkeit“ dokumentiert. Der 84jährige, unermüdlich produktive britische Ideenhistoriker, dessen Bücher in 30 Sprachen übersetzt worden sind, präsentiert die kollektive Biographie von 500 Einzelpersonen, fast ausschließlich weiß und männlich, die im globalen Norden als enzyklopädisch gebildete „Generalisten“ jeweils in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen brillierten. Ihre „Art“, die seit dem späten Mittelalter gehäuft auftritt, habe, jeder Spezialisierung trotzend, fast unversehrt das 21. Jahrhundert erreicht. Wobei Burke den jüngsten Kohorten das Prädikat Universalgenie allerdings reichlich großzügig verleiht. Etwa wenn er Monomanen wie den naturwissenschaftlich-technisch, ökonomisch sowie historisch ziemlich unbeleckten „Nur-Philosophen“ Jürgen Habermas („Aristoteles unserer Zeit“!) oder die an ähnlichen Defiziten krankende Gender-Voodoo-Priesterin Judith Butler damit aufwertet. Und auch bei denen, schon 92- oder 66jährig, orakelt Burke, handle es sich diesmal vielleicht wirklich um letzte Exemplare. Denn Nachwuchs aus der „digitalen Generation“ scheine zu fehlen. (ob)

Peter Burke: Giganten der Gelehrsamkeit. Die Geschichte der Universalgenies. Wagenbach Verlag, Berlin 2021, gebunden, 317 Seiten, Abbildungen, 29 Euro





Galileo. Es ist ein Verhältnis der Gegensätze. In der Beurteilung des Streites zwischen der katholischen Kirche und Galileo Galilei im 17. Jahrhundert gibt es heute meist nur einen Ansatz der Betrachtung: Galileo steht für das Abbild von Freiheit und wissenschaftlichem Drang, die Kirche für ein starres Dogma. In seinem Buch hat Walter Brandmüller den Umgang des Klerus mit dem Universalgelehrten und Verfechter des kopernikanischen Weltbilds noch einmal genauer untersucht. Er beschreibt sowohl die Ursachen und Zusammenhänge des Falles vor etwa 600 Jahren als auch den zeitlich nachfolgenden Umgang mit dem Konflikt. Brandmüller selbst ist Kardinal, lehrt Kirchengeschichte an der Universität Augsburg und gehört zu den konservativen Glaubensvertretern. Er sieht nachvollziehbare Gründe für die Ablehnung Galileis von seiten der katholischen Kirche und fordert einen offeneren Umgang mit der Inquisition des italienischen Wissenschaftlers. Der Tenor des Buches: Galileo ist ebensowenig fehlerbefreit wie die Kirche selbst. (es)

Walter Brandmüller: Der Fall Galilei und die Kirche. Media Maria Verlag, Illertissen 2021, gebunden, 318 Seiten, 19,95 Euro





Historisches Kalenderblatt

18. November 1996: Mit der größten Aktienemission der europäischen Wirtschaftsgeschichte geht die Deutsche Telekom an die Börse. Viele Kleinsparer verlieren durch diesen Aktienhype ihr Geld. Auch nach 25 Jahren steht die Aktie nur knapp über dem Ausgabepreis von 28 D-Mark.