© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/21 / 19. November 2021

Der Bundestag in der Postdemokratie
Anerkennung verweigert
Ulrich Vosgerau

In der Demokratie folgt die Legitimation eines Abgeordneten und seiner Fraktion aus dem Umstand, daß er gewählt worden ist; in der beginnenden Postdemokratie gilt seine Wahl als ein womöglich irrtümlicher Vorschlag des Volkes, wohingegen die wahre Legitimation erst aus der Anerkennung durch etablierte Eliten folgen soll. Der AfD – der einzigen wirklichen Oppositionskraft gegen die Einheitsfront für mehr Einwanderung, europäische Schuldengemeinschaft und Energiewende – wird diese Anerkennung verweigert. 

Dies zeigte sich nicht nur durch die Weigerung aller übrigen Fraktionen, einen Vertreter der AfD zum Bundestagsvizepräsidenten zu wählen, obwohl dies der Fraktion gemäß Paragraph 2 Absatz 1 der Geschäftsordnung zusteht. Sechs Kandidaten hat man so in der 19. Legislatur durchfallen lassen, und nun auch den ersten Kandidaten in der 20. Legislatur. 

Nein, auch die Redezeit hat der 20. Bundestag jetzt auf 31 bzw. 67 Minuten pro Debatte festgesetzt (bisher: 30 bzw. 60 Minuten). Wie kommt man auf so krumme Zahlen? Ganz einfach: weil sich nach der Berechnungstabelle nach Sainte-Laguë für sechs Fraktionen so eine Meistbegünstigung für die Ampelkoalition und eine Verkürzung der Redezeit der AfD-Fraktion ergibt. Eine Minute weniger, und die SPD hätte eine Minute weniger; eine mehr, und die AfD hätte eine mehr. Das parlamentarische Schauspiel ist würdelos!






Dr. habil. Ulrich Vosgerau lehrte Öffentliches Recht sowie Rechtsphilosophie an mehreren Universitäten.