© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/21 / 19. November 2021

Liberale Intellektuelle gründen Universität
Frische Luft für freies Denken
Werner J. Patzelt

Einst zog man Galilei vor die Inquisition, weil er gelehrt hatte, die Erde drehe sich um die Sonne. Vergangene Zeiten? Heute behauptet man besser nicht, daß Weiblichkeit und Männlichkeit Naturtatsachen wären, nicht jeder Muslim überall und jederzeit Frieden bringt oder die Geschichte des Westens aus mehr besteht als aus Machismus, Rassismus und Imperialismus. Sonst droht nämlich soziale Ächtung samt Vertreibung von der Hochschule.

Glücklicherweise entstand in der Zeit nach Galilei außerhalb islamischer oder konfuzianischer Gesellschaften ein intellektuelles Leben, in dem man auch Umstrittenes öffentlich und angstfrei äußern konnte. Außerhalb sozialistischer Länder wurde bisweilen sogar gelobt, wer dem Zeitgeist widerstand. Und bis zum Aufkommen postmoderner, jetzt wieder quasi-religiöser Zeiten waren zumal Universitäten stolz darauf, auch Stätten des Voraus- und Querdenkens zu sein, nicht nur Orte demonstrativen Nach-Denkens kulturell hegemonialer Positionen oder anpaßlerischer Längsdenkerei. Anscheinend muß sich freies Denken jetzt neue Nischen suchen, freie Forschung neue Institutionen. Es ist nicht das erste Mal. Derzeit unternehmen das namhafte liberale Intellektuelle im texanischen Austin, weil ihnen an anderen Universitäten das geistige Klima zu stickig geworden ist. Gutes Gelingen!






Prof. Dr. Werner J. Patzelt ist emeritierter Lehrstuhlinhaber für Politikwissenschaft an der TU Dresden.