© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/21 / 19. November 2021

Ländersache: Bremen
Barrierefrei saufen
Paul Leonhard

Am Wochenende hat die Polizei in Bremen Ernst gemacht. In den Nächten gab es verstärkte Waffenkontrollen am Hauptbahnhof, wo zwar das Mitführen von Messern und Schußwaffen verboten ist, trotzdem die Zahl der Delikte mit Stichwaffen zwischen Januar und September im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erschreckend in die Höhe schnellte. Es war eine Aktion, die sich in ein ganzes Paket von Maßnahmen einreiht, mit denen Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) Pöbeleien, Saufgelage, Drogen und Müll durch einen „sicheren und sauberen Hauptbahnhof“ ersetzen will.

Außer mit den nächtens „alkoholisierten und erlebnisorientierten“ Personen hat Mäurer ein Problem mit herumlungernden Obdachlosen und Drogensüchtigen. Es gelingt der Stadt nicht, diese wenigstens so auf Distanz zu halten, daß sich Zugreisende nicht von ihnen belästigt fühlen. Dabei wurde schon einiges versucht: Im November ging eine neue, hellere Beleuchtung des Vorplatzes ans Netz, seit Februar funktioniert eine nahezu flächendeckende Videoüberwachung. Parallel dazu wurde für die Obdachlosen ein Szenetreff eingerichtet.

Geholfen hat es wenig. Bahnhofsvorplatz und Haltestellen haben weiterhin eine magische Anziehungskraft für viele, die obdachlos, drogen- und alkoholabhängig sind. Diese halten die überdachten Haltestellen mit ihren Bänken besetzt, so daß sich kein Reisender hierher traut. Kein schöner Willkommengruß für Besucher, finden die Bremer Christdemokraten und drängen auf Veränderung. Sie fordern kurzfristiges Vorgehen und langfristige Hilfe.

Allerdings hat die CDU nichts zu sagen, Bremen wird von Rot-Grün-Rot regiert, und das Herz der Linkssozialisten schlägt für die Obdachlosen, die Katharina Kähler vom Verein für Innere Mission als eine „sehr heterogene Gruppe von Menschen in schwierigen Lebenslagen“ beschreibt. Die dürfe man nicht einfach vertreiben, findet Linken-Fraktionschefin Sofia Leonidakis, in deren Augen schon die grauen Stahlbänke auf dem Bahnhofsvorplatz eine Zumutung sind, weil sie mit Querstreben und schmalen Sitzflächen signalisieren: „Hier wird nicht geschlafen.“ Die 37jährige fordert Bänke mit breiteren Sitzflächen, ohne unterteilende Schrägen, „auf denen man sich zur Not auch hinlegen kann“.

Innensenator Mäurer bringt dagegen einen ganz anders gearteten Vorschlag ein – der den Beifall der oppositionellen CDU findet: Sein Gesetzentwurf verbietet die Zweckentfremdung der Bahnsteige und Haltestellen, insbesondere „zum Lagern, zum Genuß von Alkohol oder anderer berauschender Mittel“. Wird der Entwurf Gesetz, hätte die Polizei eine Handhabe, um gegen Alkohol- oder Drogenabhängige vorzugehen, die Passanten belästigen.

Der Gesetzentwurf ist Teil eines Gesamtpakets „Hauptbahnhof für alle“. Zu diesem gehören auch Hilfsangebote und Treffpunkte für Obdachlose, kostenlose Toiletten, betreute Aufenthaltsorte. Die von den Linken geforderten bequemen Schlafbänke sind bisher noch nicht Teil des Projektes, würden aber wohl das befördern, was Marco Lübke, innenpolitischer Sprecher der CDU, unbedingt verhindern will: daß der Bahnhofvorplatz vom linken Senat „zum Ort für dauerhafte Sauftreffs“ erklärt wird.