© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/21 / 19. November 2021

Geheimbericht zum Versagen der Wirtschaftsprüfer im Fall Wirecard
Vergebliche Aufklärung
Martin Krüger

Undurchschaubare Geschäftsmodelle, Bilanzmilliarden bei fragwürdigen Partnern im Ausland, Analystenwarnungen, Geldwäschevorwürfe – deutsche Leitmedien schwärmten weiter von den Wachstumschancen des Dax-Konzerns Wirecard. Münchner Staatsanwälte ermittelten gegen Financial Times-Journalisten, die Finanzaufsicht drangsalierte Leerverkäufer (JF 35/21). Das Handelsblatt hat daher mit der Veröffentlichung des Berichtes über das Versagen des Wirecard-Buchprüfers Ernst & Young (EY) Mut gezeigt: Der 168seitige Bericht für den Bundestagsuntersuchungsausschuß ist als geheim klassifiziert. Die Kernaussage lautet: Die global agierenden, privaten Bilanzprüfer hätten den Milliardenbetrug schon Jahre vor der Pleite im Juni 2020 entdecken können.

Den Ermittlern um Martin Warmbach von der mittelständischen Prüfungsgesellschaft Rödl & Partner standen nur fünf versiegelte EY-Laptops zur Verfügung, EY war unkooperativ. Als geheim gilt der Bericht aufgrund einer Selbsteinstufung von EY und dem Verweis auf Geschäftsgeheimnisse. Der Bundesgerichtshof bestätigte dies formal: Der Ausschuß habe sich vor der Bundestagswahl aufgelöst, der Antrag sei nun unzulässig. Die Wirecard-Gläubiger – es geht um 12,4 Milliarden Euro – und die Aktionäre, die vom Aktienhoch aus gerechnet 24 Milliarden Euro verloren haben, sind entsetzt.

Die Arbeitsweise von EY (Werbespruch: „Trust in Quality“) scheint unglaublich: So stimmte die Anschrift nicht, die Homepage war unerreichbar, niemand ging ans Telefon – so lief es etwa, als EY den Wirecard-Partner „PayEasy“ auf den Philippinen prüfen wollte. Neun Tage vergingen, bis vom damaligen Wirecard-Vorstand Jan Maršálek (seit Juli 2020 flüchtig) eine E-Mail ankam: Eine PayEasy-Buchhalterin erklärte dies damit, daß es bei der manuellen Datenübertragung wohl haperte – und das bei einem HighTech-Zahlungsdienstleister. Zuvor war die Dame nie aufgetaucht. Dann gab es drei Jahre Funkstille. EY notierte dennoch: „Es ergaben sich keine Feststellungen, die eine Auswirkung auf den Wirecard-Abschluß haben.“

Muß sich EY nun Sorgen um Millionenklagen von Tausenden geschädigten Anlegern machen? Vielleicht. Doch die Haftung für Wirtschaftsprüfer war damals äußerst beschränkt, sie wurde erst in diesem Jahr etwas ausgeweitet.