© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/21 / 19. November 2021

„Wir brauchen kein Digitalministerium“
Schwarzbuch der Steuerzahler: Bauversagen im Großen wie im Kleinen sowie eine millionenteure private Bankenpleite
Christian Schreiber

Bürger, aufgepaßt: Die geplante Ampel-Koalition will „einen grundlegenden Wandel“ hin zu einem „digitalen Staat“. Das 49. „Schwarzbuch“ des Bundes der Steuerzahler (BdSt) sollte jedoch eine Warnung sein. Denn darin sind nicht nur hundert Fälle der „öffentlichen Verschwendung“ zusammengetragen, sondern es enthält nach vier Jahren Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) nun auch ein 22seitiges Sonderkapitel über „Digitale Staats-Modernisierung“.

Darin sind aber nicht millionenteure Planungsfehler beim Breitbandausbau aufgelistet, sondern Verbesserungsvorschläge: „Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Ziel ist ein besseres und effizienteres Handeln des Staates, um Bürger, Unternehmen und auch die eigene Verwaltung zu entlasten“, mahnt Philipp Behm, Leiter der Abteilung Recherche beim BdSt. Vorschnell werde nach mehr Geld gerufen, doch es stünden „bereits erhebliche Summen zur Verfügung, die aber zum Teil nicht genutzt werden“. Man brauche „eine solide Grundfinanzierung statt kurzfristigen Aktionismus“. Die Verwaltungsdigitalisierung sei „eine Querschnittsaufgabe über alle Ressorts und Ebenen hinweg, dafür brauche es kein eigenes Digitalministerium“.

„Ein rechnerischer Verlust von rund 2.500 Euro pro Kopf“

Dennoch erfolgt die meiste Steuergeldverschwendung weiter im „analogen“ Bereich. Und so blickte der 45jährige BdSt-Chef Reiner Holznagel bei der Vorstellung des Buches zurück ins Jahr 1980. Damals wurde in der Ruhrgebietsstadt Castrop-Rauxel für 950.000 D-Mark eine Brücke gebaut – wegen einer Umgehungsstraße. Doch bis heute fehlt diese Straße. Die Brücke sei nun eine der vielen „So-da-Brücken“, klagte Holznagel. Nur 460.000 D-Mark kostete die Autobahnbrücke im 135 Kilometer entfernten Euskirchen – aber die wartet bereits 45 Jahre auf die A56, die einst den Raum Köln-Bonn entlasten sollte.

Oft ist der Staat als Bauherr überfordert, das zeigt nicht nur die Milliarden-Posse um den Hauptstadtflughafen BER oder den Bahnhof Stuttgart 21. Im Saarland versuchten sich Stadt und Land am Neubau des Fußballstadions in Saarbrücken. Es sollte nicht mehr als 16 Millionen Euro kosten. Doch am Ende ging fast alles schief. Gekostet hat es nun nahezu 50 Millionen Euro – Mängel gibt es immer noch. Das könnte man als Provinzpanne abtun, doch eine Kostensteigerung droht auch beim Erweiterungsbau des Bundeskanzleramts. 22 Jahre nach dem Umzug von Bonn nach Berlin ist das als „Waschmaschine“ verspottete Betonmonster schon wieder zu klein. Für den Neubau am anderen Spreeufer wurden 485 Millionen Euro genehmigt. Doch es zeichnet sich ab, daß es 600 Millionen Euro werden könnten. Nicht mit eingerechnet sind die 39 Millionen Euro, die eine zunächst nicht geplante unterirdische Zufahrt kosten soll.

Ebenfalls ein „Debakel für die Steuerzahler“ wurde die Pleite der deutsch-britischen Greensill Bank in Bremen (JF 11/21). Die war zwar privates Kreditinstitut, doch deren Vertreter warben bis zur Zwangsschließung mit hohen Renditeversprechen um das Geld von Städten und Gemeinden. 40 Kämmerer sind Greensill auf den Leim gegangen – darunter Osnabrück (14 Millionen Euro), Nordenham (13,5 Millionen) und Garbsen (8,5 Millionen) im nahen Niedersachsen. Insgesamt 350 Millionen Euro sind wohl „futsch“. Hart trifft es Bötzingen im 700 Kilometer von Bremen entfernten Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald: 13,2 Millionen Euro wurden Greensill anvertraut. „Auf die Bürger dieser Gemeinde könnte damit ein rechnerischer Verlust von rund 2.500 Euro pro Kopf zukommen“, rechnete der BdSt vor.

„Eine nachhaltige Finanzpolitik ist wichtiger denn je“, verlangt Holzapfel. Die deutsche Staatsverschuldung ist durch Corona auf 2,36 Billionen Euro geklettert. Die statistische Pro-Kopf Verschuldung wuchs seit Anfang 2020 um mehr als 4.000 Euro auf über 28.340 Euro. Daher dürften die für dieses Jahr prognostizierten Rekordsteuereinnahmen von über 800 Milliarden Euro keinesfalls in neue Ausgaben gesteckt werden. Die künftigen Koalitionäre sollten sich nicht nur auf den Abbau „klimaschädlicher Subventionen“ konzentrieren, sondern alle überflüssigen und unwirksamen Ausgaben tatsächlich kürzen oder streichen.

Das Schwarzbuch 2021/2022: www.schwarzbuch.de

Foto: Die Schuldenuhr zeigt die explizite öffentliche Verschuldung: 28.340 Euro müßte jeder Steuerzahler aufwenden, um den Staat zu entschulden