© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/21 / 19. November 2021

Frisch gepreßt

Peter Hacks. Immer vorausgesetzt, im posthumanen Zeitalter erscheinen überhaupt noch Literaturgeschichten, benötigten deren Rückblicke auf die deutsch-deutsche Nachkriegsproduktion nur jeweils wenige Seiten. Kämen doch aus dem Westen neben dem späten Gottfried Benn lediglich das komplette Œuvre Arno Schmidts, Albert Vigoleis Thelens „Insel des zweiten Gesichts“, Günter Grass’ „Blechtrommel“ (ausschließlich!) sowie Walter Kempowskis „Echolot“ nebst den Collagen der „Deutschen Chronik“ in die engste Auswahl. Und aus dem „Leseland“ DDR? Da ragen aus dem Altpapierlaub, die das Autorenkollektiv Christa Wolf, Stephan Hermlin & Co. hinterließ, schon heute konkurrenzlos nur Bücher des Dramatikers, Essayisten und Kinderbuchautors Peter Hacks (1928–2003) heraus. Ob deswegen alles zu drucken ist, was der Nachlaß hergibt, daran weckte schon die Edition des 1000seitigen „Familienbriefwechsels“ (2013) leise Zweifel. Die sich jetzt stärker regen bei der Lektüre einer wiederum von Gunther Nickel edierten Hacks-Korrespondenz, diesmal mit dem Breslauer Schulfreund Hansgeorg Michaelis. Da der dröge Marktforscher Michaelis dem marxistisch geschulten, 1955 von Bayern in die DDR „emigrierten“ Dichter intellektuell kaum gewachsen ist, beschränkt sich der Ertrag dieses auf üppigen 150 Kommentarseiten vorbildlich erläuterten, mit vorzüglichem Personenregister versehenen Briefwechsels darauf, die Zeitstimmung der 1950er wiederzubeleben. Denn anders als der Titel verheißt, hört der geistige Austausch 1959 faktisch auf. Für die Hacks-Gemeinde, die reichlich mit Bonmots und Witzen („FDP = Feinde des Proletariats“) des Meisters verwöhnt wird, natürlich trotzdem ein „Muß“. (wm)

Peter Hacks: Woher kommt die viele Dummheit auf die Welt? Briefe an Hansgeorg Michaelis 1944–1998. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2021, gebunden, 601 Seiten, Abbildungen, 40 Euro





Feindaufklärung. Im Jahr 2004 gab Edgar Burger, nach dem Krieg eines der Gründungsmitglieder der CDU im Saarland, seine Erinnerungen heraus, die nun von Christian von Oppel und Hartmut Mathieu neu ediert worden sind. Der 1925 geborene Burger schildert darin sein Wirken in der Hitlerjugend und seine 1943 beginnende Soldatenzeit. Besonders bemerkenswert sind die Erlebnisse in einem Fernaufklärungskommando der Division Brandenburg 1945 im Rücken der bereits Ende Januar die Oder erreichenden sowjetischen Truppen. Im Netzebruch östlich von Landsberg/Warthe wurde sein im verborgenen die Feindstärke erkundender Trupp gleichzeitig Zeuge grausamer Kriegsverbrechen an deutschen Zivilisten im Totenland Ostbrandenburg. (bä)

Christian von Oppel, Hartmut Mathieu: Im Rücken des Feindes. Erinnerungen von Edgar Burger 1925–1945, Books on Demand, Norderstedt 2021, gebunden, 145 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro