© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Corona-Politik
Verhärtete Fronten
Dieter Stein

Noch im Oktober dachten wir doch, das Schlimmste an dieser Corona-Krise sei überstanden. Wir hofften, daß die letzten Einschränkungen bald Geschichte sein könnten. Nichts von alledem. Die Zahlen der gemessenen positiven Testungen explodieren wie nie zuvor – und die politisch Verantwortlichen wissen keinen anderen Ausweg als neue Einschränkungen, darunter jetzt 3G für Firmen und 2G für die meisten Veranstaltungen, Lokale, Geschäfte. 

Da die Impfquote unter den Erwartungen bleibt und Politiker eine Impfpflicht scheuen, wird der auszuübende Impfdruck der Einfachheit halber auf die Privatwirtschaft abgewälzt. Auch in unserem Verlag heißt es seit Mitte der Woche: Dokumentation des 3G-Status, Diskussion über den Sinn mit Mitarbeitern, Ausweitung der „Homeoffice“-Regelung. In vielen Firmen entlädt sich nun tausendfach der Frust und spalten die Maßnahmen Belegschaften.

Ein erheblicher Faktor bei der Impfskepsis ist das Mißtrauen der Bürger in einen immer dysfunktionaleren Staat. 

Bei näherem Hinsehen scheinen die Motive, sich nach wie vor gegen das Impfen zu sperren, nur bei einer Minderheit auf ernste medizinische Bedenken zu gründen. Neben Mentalitätsfragen ist ein erheblicher Faktor das in den vergangenen Jahren gewachsene Mißtrauen gegenüber einem immer dysfunktionaleren Staat. Die Bürger müssen eben immer häufiger erleben, daß der Staat zwar Knöllchen verteilt und Steuern eintreibt, ansonsten aber nicht mehr für Ordnung, sondern für Chaos steht: Ob es um wachsende Bedrohung im öffentlichen Raum oder hunderttausendfache illegale Migration und unkontrollierte deutsche Grenzen geht. 

Das Vertrauen in den Staat ist auch erodiert im Zuge irrationaler Politik: ob bei der Energiewende, der Enteignung der Bürger durch Vergemeinschaftung von Schulden in der Euro-Krise und der Unfähigkeit, Großprojekte wie den Flughafen BER in Berlin funktionsfähig umzusetzen. Das Hin und Her, die Planlosigkeit bei Ausbruch der Corona-Epidemie paßten hier ins Bild. Und manche fühlen sich bestärkt, wenn sie aktuell die erneut schlechte Bevorratung der Impfstoffe durch Bundesgesundheitsminister Spahn oder den fehlenden Personalaufbau in der Intensivmedizin sehen müssen.

Empörend empfinden viele betroffene Bürger die teilweise offen sadistische Tonlage, in der Mehrheiten mit Minderheiten umgehen – und schlagen verbal nicht minder radikal um sich. Dann stehen die einen, die von der „Tyrannei der Ungeimpften“ (Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Weltärztebundes) sprechen, denen gegenüber, die mit „Corona-Diktatur“ (Alexander Gauland oder Herbert Kickl) erwidern. Beides halte ich für Unsinn.

Am Ende kommen wir durch diese Krise nur mit Gemeinsinn und Pragmatismus.