© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Ländersache: Niedersachsen
De Buer steiht weer op
Christian Vollradt

Seit sie aus den Schlagzeilen verschwunden sind, scheinen die bundesweiten Bauernproteste des vergangenen Jahres schon fast wieder in Vergessenheit zu geraten. Doch hier und da flammen sie aktuell wieder auf. Einer der Orte ist Wiefelstede in Niedersachsen, nordwestlich von Oldenburg. Dort ist eines der großen Zentrallager des Einzelhändlers Edeka. Und hier haben vergangene Woche rund 200 Bauern ihrem Unmut darüber Luft gemacht, daß der Lebensmitteleinzelhandel die zuvor groß und werbewirksam angekündigten Gespräche mit den Erzeugern eingestellt hat. Mit ihren Traktoren blockierten die aufgebrachten Landwirte die Zufahrten zum Lager; dadurch kamen die dort erwarteten Lastwagen nur mit Zeitverzögerung an. Die örtliche Kreisverwaltung sprach von „erheblichen Verkehrseinschränkungen“. 

Im Winter 2020 hatten Bauern öffentlichkeitswirksam gegen die Preisgestaltung  der großen Supermarktketten protestiert. Die hatten sich daraufhin zu Gesprächen mit Vertretern verschiedener Verbände aus der Landwirtschaft getroffen. Nun aber, so deren Vorwurf, würden sich die Einzelhandelskonzerne lieber in die gewohnten Formate zurückziehen. „Daß Edeka, Aldi, Lidl und Rewe erst acht Monate lang intensiv und konstruktiv mit uns über kostendeckende Preise verhandeln, um sich auf der Zielgeraden plötzlich in eine bequeme Kungelrunde mit Bauernverband und Ernährungsindustrie zu verabschieden, ist ein Schlag ins Gesicht aller fleißigen und ehrlichen Landwirte“, empörte sich Peter Guhl von der Bundesvertretung der Freien Bauern, die den Protest gemeinsam mit der Initiative „Land schafft Verbindung“ organisiert hatten. Deren Sprecher Anthony Lee (JF 7/21) kritisierte, es seien aus dem Agrardialog bisher  keine konkreten Zugeständnisse hervorgegangen. Die Bauern wollen eine Fortsetzung der Verhandlungen erreichen und bereits erarbeitete Lösungsansätze in die Tat umsetzen. 

Dazu gehört beispielsweise neben besseren Verträgen zwischen Milchbauern, Molkereien und Handel eine einheitliche transparente Herkunftskennzeichnung für Produkte und Produktbestandteile, etwa durch für den Kunden gut erkannbare schwarz-rot-goldene Aufdrucke auf der Verpackung. 

Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels betonte dagegen, man habe die Gespräche nicht abgebrochen, wolle sie jedoch „mit allen Beteiligten der Branche führen“, so ein Sprecher. Deshalb sei dafür die Plattform „Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft“ (ZKHL) gegründet worden. Die – kleineren – bäuerlichen Interessenverbände sehen sich dadurch an den Rand gedrängt. Der Kampf gegen ein „Kartell der Monopolisten“ im Einzelhandel sei ein „weiteres Kapitel“ David gegen Goliath, heißt es seitens der Freien Bauern: „Auf der einen Seite die bäuerlichen Familienbetriebe, gegenüber die großen Handelsriesen.“

Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) rief die Streitenden zum Dialog auf. Die Stimmung unter den Bauern sei so schlecht, wie sie noch nie war, sagte Otte-Kinast am Rande einer Presseveranstaltung. Dies zeigten die seit zwei Jahren anhaltenden Proteste.

Die Aktion im Nordwesten Niedersachsens ist noch bis zum 24. Dezember angemeldet.