© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Kämpft nicht, spart!
Bundeswehr: Die Truppe müßte in besseres Material investieren und braucht mehr Soldaten – doch für beides zusammen fehlen die Mittel
Peter Möller

Je näher die für den 8. Dezember geplante Wahl von Olaf Scholz (SPD) zum Bundeskanzler einer Ampel-Koalition rückt, desto angespannter wird die Stimmung der Bundeswehrführung. Denn über eine Frage herrscht unter Verteidigungsexperten in Berlin Konsens: Leichter wird es für die Bundeswehr unter einer rot-grün-gelben Bundesregierung nicht – vor allem, wenn es ums Geld geht. Oder anders ausgedrückt: Eine Erhöhung des Verteidigungsetats unter einer Regierung aus SPD, Grünen und FDP gilt nahezu als ausgeschlossen. Die Bundeswehr könne froh sein, wenn sie nicht allzu große Einschnitte hinnehmen müsse, heißt es in Berlin.

Um die Begehrlichkeiten der neuen Koalitionäre auf den Verteidigungsetat in Grenzen zu halten, hat die Bundeswehrführung frühzeitig versucht, Einfluß auf die Koalitionsverhandlungen zu nehmen. Ende Oktober wurde daher im Verteidigungsministerium ein vertrauliches Dossier für die entsprechende Arbeitsgruppe der zukünftigen Regierungsparteien erstellt. „Mit dem derzeitigen, sogar abfallenden, Finanzplan kommt die Modernisierung der Bundeswehr zum Stillstand“, heißt es in dem Papier, aus dem der Spiegel zitiert und detailliert die Sorgen der Bundeswehrplaner beschreibt. Daß ausgerechnet die vom künftigen Kanzler Olaf Scholz noch als Finanzminister entworfene mittelfristige Finanzplanung für die kommenden Jahre ein schrittweises Abschmelzen des Verteidigungsbudgets von derzeit 46,9 auf 46,7 Milliarden im Jahr 2025 vorsieht, hat schon vor der Bundestagswahl in den Streitkräften für Entsetzen gesorgt. Der Finanzplan verfehle „den Bedarf der Bundeswehr grundlegend“, heißt es im Dossier für die Ampel-Verhandler. Allein die Betriebs- und Personalkosten würden jedes Jahr um rund 1,4 Milliarden Euro steigen, dies sei mit der vorgesehenen Finanzausstattung schlicht nicht abgedeckt. Folglich sei eine Modernisierung vor allem bei Großgeräten wie Hubschraubern, Panzern oder Kampfjets unmöglich. Die Bundeswehrplaner machen eine Gegenrechnung auf, um aus ihrer Sicht den Finanzbedarf der Streitkräfte zu verdeutlichen. Die Truppe benötige in den nächsten Jahren allein für den sogenannten Fähigkeitserhalt bei der Ausrüstung rund 40 Milliarden Euro. Als Beispiel wird unter anderem der Nachfolger für den an seine Altersgrenze gekommenen Kampfjet Tornado mit einem Finanzbedarf von rund 15 Milliarden Euro aufgeführt. Zudem brauche die Bundeswehr dringend neue Transporthubschrauber, die gut fünf Milliarden kosten würden. Ohne das neue Gerät sei die Truppe schon bald nicht mehr handlungsfähig, heißt es laut Spiegel in der Analyse.

Verkleinerung ist kein Tabu mehr

Daran, welche Folgen diese Entwicklung hätte, lassen die Verfasser der Studie keinen Zweifel: Deutschlands internationale Reputation würde schweren Schaden nehmen. Das gilt nicht zuletzt auch für die Verpflichtungen gegenüber der Nato: „Wir verfehlen die Nato-Ziele immer deutlicher“, warnt das Papier. Angesichts der aktuellen Planung entferne sich Deutschland immer weiter von seiner Zusage, bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Derzeit liege das Budget bei 1,5 Prozent, drohe aber bis 2025 auf 1,3 Prozent abzufallen. Dadurch gerät sogar die Beteiligung der Bundeswehr an der Stärkung der Nato-Ostflanke gegenüber Rußland in Gefahr, da die notwendige Ausrüstung nicht in dem erforderlichen Maße beschafft werden kann.

Die Verhandler von SPD, Grünen und FDP sind sich dieser Probleme sehr wohl bewußt. Doch die Lösung, die sich für die anhaltende Geldknappheit in den Koalitionsverhandlungen abzeichnete, dürfte die Bundeswehrführung nicht begeistern. Demnach könnte der Verteidigungshaushalt durch personelle Einschnitte in der Truppe entlastet werden. Die Kosten für Soldaten und zivile Mitarbeiter machen gegen­wär­tig etwa 13 der 47 Milli­ar­den Euro des Haus­halts aus. Die Bundes­wehr verfügt aktuell über etwa 183.000 Solda­ten. Im Zuge der Neuausrichtung nach 2014 wurde die Zielmarke der Truppenstärke eigentlich auf 203.000 Solda­ten angehoben. Doch schon kursieren Überlegungen, die Bundeswehr auf 170.000 Soldaten zu verkleinern, um finanziellen Spielraum für die Erneuerung der Ausrüstung zu gewinnen. Im Sinne der Bundeswehrführung wäre diese Lösung indes nicht.