© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Darf’s ’n bißchen mehr sein?
Paul Rosen

Geld spielt im politischen Berlin schon lange keine Rolle mehr, Sparsamkeit ist ein Fremdwort geworden. Sollten tatsächlich einmal die Kassen leer, aber alle Wünsche immer noch nicht erfüllt sein, steht frisches Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Verfügung. Ein Drittel der deutschen Staatsschulden wird bereits von der EZB gehalten. 

So verwundert es auch nicht, daß der nach sechzehn Amtsjahren bald abtretenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Ruhestandsbüro beschert wird, das seinesgleichen sucht. Die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch warf Merkel vor, sie wolle ein Schattenkanzleramt aufmachen. Die Angelegenheit stand in der Sitzung des Hauptausschusses auf der Tagesordnung, ein Supergremium, das bis zur Ernennung einer neuen Bundesregierung alle anderen Ausschüsse, auch den Haushaltsausschuß, ersetzt. Denn erst wenn der Zuschnitt der Ministerien klar ist, können die Bundestagsausschüsse gebildet werden. Dort wurde beschlossen, Merkel ein Büro mit neun Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen, davon zwei leitende Mitarbeiter mit der Besoldungsstufe B6, wo allein das monatliche Grundgehalt 10.412,79 Euro beträgt.

Natürlich gibt es eine Einsparung an anderer Stelle, wie sich Regierungssprecher Steffen Seibert zu versichern beeilte. Im Verteidigungsministerium werden ein paar derzeit nicht besetzte Stellen des mittleren Dienstes (zivil) gestrichen, und das soll dann angeblich ausreichen.

Allerdings existiert ein Beschluß des Haushaltsausschusses aus dem Jahr 2019, wonach zukünftigen Bundespräsidenten und Bundeskanzlern nach dem Ausscheiden aus dem Amt nur ein Büro mit maximal fünf Mitarbeitern zur Verfügung stehen soll, damit sie die sogenannten nachwirkenden Amtspflichten erledigen können. 

Die Frage, warum Merkel sich nicht an dieser Regel orientiere und damit eine Vorbildfunktion ausübe, wollte der Regierungssprecher nicht beantworten. Das sei Sache der Legislative. Er verwies nur darauf, daß sich der Wortlaut des Beschlusses des Haushaltsausschusses von 2019 auf zukünftige Bundeskanzler beziehe: „Also ist er auf die amtierende Bundeskanzlerin nicht anwendbar.“ 

Der Regierungssprecher ließ sich noch entlocken, daß Merkels engste Mitarbeiterinnen Beate Baumann und Eva Christiansen nicht für diese Luxus-Planstellen vorgesehen seien. Merkels Schattenkanzleramt ist aber noch gar nichts im Vergleich zum Vizekanzleramt, das sich der angehende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Finanzministerium gebastelt hatte. Nach der Bundestagswahl 2017 ließ sich Finanzminister Scholz vom Haushaltsausschuß 41 zusätzliche Stellen für sein Vizekanzleramt genehmigen. Hinzu kamen weitere acht Stellen aus dem Ministerium selbst. In der Leitung des Finanzministeriums gibt es drei Strategiereferate, deren Aufgaben sich teilweise überlappen.