© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Rückzug der Woche
Abschreibemodell
Alexander Graf

Was als Mittel gedacht war, um die damalige Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und ihre Agenda den Wählern näherzubringen, wurde zum Rohrkrepierer erster Güte. Ihr Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ entpuppte sich bei näherem Hinsehen als an vielen Stellen zusammenplagiiert. Das geschah sogar an Stellen, wo sie persönlich Erlebtes schildert, um besonders menschlich und nahbar zu scheinen. Nach und nach bröckelte die Fassade der Politikerin, die offensichtlich nicht nur beim Lebenslauf auf Ausschmückungen setzte. Schließlich verkündete der Ullstein Verlag, dem das Buch von Baerbock ein Honorar von rund 30.000 Euro Wert war, daß es überarbeitet und mit zusätzlichen Quellenangaben versehen werde. Das war im Juli. Vier Monate später steckt Baerbock zwar nicht als kommende Kanzlerin, aber immer noch als Grünen-Chefin in Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer Ampelregierung mit SPD und FDP. Daß die Korrektur ihres Wahlkampfstolpersteins derzeit nicht die höchste Priorität hat, ist verständlich. Doch auch in Zukunft will die gescheiterte Hoffnungsträgerin ihr Werk nicht mehr zu Überarbeitungszwecken hervorholen. Ullstein zitiert sie mit den Worten: „Der Wahlkampf und die nachfolgenden Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen haben nicht den Raum für die notwendigen Ergänzungsarbeiten gelassen. Es ist absehbar, daß sich dies in den kommenden Monaten nicht ändern wird.“ Ullstein kündigte an, es aus dem Handel zu nehmen. Zunächst hieß es, die noch im Handel befindlichen Bücher sollten preisgebunden bleiben. Kurz darauf sagte eine Verlagssprecherin auf Nachfrage der Nachrichtenagentur dpa, diese würden nicht mehr verkauft. Das eBook sei nicht mehr verfügbar. So schnell möchte man das Kapitel Baerbock und Ullstein also vergessen und verdrängen.