© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Angespannte Ruhe
Illegale Migration: Warschau warnt vor neuen Attacken Lukaschenkos
Jörg Sobolewski

Die Situation, in der sich Tausende Migranten an der Grenze zwischen Weißrußland und der Europäischen Union befinden, hat auch in ihrer Heimat Unruhe ausgelöst. „Wenn sie Tausende von Dollar aufbringen könnten, um ihre Reise zu bezahlen – warum haben sie es nicht in ihre Heimat investiert und hier Arbeitsplätze geschaffen“, beklagte der Premierminister der autonomen Region Kurdistan im Nordirak, Masrour Barzani, im Gespräch mit dem britischen Guardian. 

Die Situation in Irakisch-Kurdistan sei nicht rosig, aber seine Regierung habe „112.000 neue Arbeitsplätze geschaffen“, man sei auf dem Weg der Besserung, so der Politiker. Er rief seine Landsleute auf, aus Weißrußland zurückzukehren. „Wir sprechen mit Partnern außerhalb unserer Grenzen und der Regierung in Bagdad, um allen, die zurückkehren wollen, so schnell wie möglich die Rückreise zu organisieren“, so der kurdische Politiker weiter. 

Tatsächlich steigt der Druck auf die Herkunftsländer der Migranten, ihre Staatsangehörigen wieder aufzunehmen. Bereits am vergangenen Donnerstag sprach das irakische Außenministerium in einer Stellungnahme davon, daß der Flug mit 431 rückkehrwilligen kurdischen Irakis vom selben Tag „nicht der letzte gewesen“ sei. Man arbeite hart daran, die irakischen Staatsangehörigen in Belarus für die Rückreise zu „registrieren und die Ausreise derer zu organisieren, die keine Reisedokumente mehr vorweisen können“.

Unterdessen kam es an verschiedenen Grenzübergängen erneut zu Zusammenstößen zwischen polnischen Grenzbeamten, illegalen Migranten und bewaffneten weißrussischen Kräften. Videos polnischer Nutzer des Kurznachrichtendienstes Twitter zeigen den Einsatz grüner Laserpointer und Stroboskope im Dauereinsatz. 

Litauen und Lettland verstärken ihren Grenzschutz

Der polnischen Grenzpolizei zufolge sollen die Beamten durch den Einsatz der Geräte geblendet und desorientiert werden. Das polnische Verteidigungsministerium sprach in einem Statement von „weißrussischen Diensten, darunter Soldaten, die Migranten beim Grenzübertritt unterstützen würden und überdies bewaffnet seien.“ 

In einem Interview mit der britischen BBC sprach der weißrussische Machthaber davon, daß es „durchaus möglich sei“, daß jemand den Migranten beim Grenzübertritt helfe. „Wir sind Slawen. Wir haben ein Herz. Unsere Truppen wissen, daß die Migranten nach Deutschland wollen. Vielleicht hat ihnen jemand geholfen.“ Er habe die Migranten jedoch nicht „eingeladen“, er halte sie nur nicht auf. Angesprochen auf die Zeugenaussagen weißrussischer Oppositioneller, von Ordnungskräften verprügelt worden zu sein, bestätigte der Autokrat,  gab aber zu bedenken, daß „auch“ Polizisten  verprügelt worden seien. 

Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen verstärken derweil ihre Grenze zur russischen Föderation und Weißrußland. Estland kündigte eine Flugverbotszone entlang der Grenze an, um die Errichtung von Zäunen und Barrieren gegen einen „hybriden Krieg“ nicht zu gefährden. Auch Lettland und Litauen kündigten eine weitere Verstärkung der Grenze an. Anfang der Woche meldete der polnische Grenzschutz an einem Tag 174 Versuche, die Grenze illegal zu überqueren. Parallel dazu versuchten 140 Migranten, nach Litauen zu gelangen und 20 nach Lettland.

Vor diesem Hintergrund betonte Stanisław Żaryn, Sprecher des Ministers für den Koordinator der Sonderdienste, daß das „Lukaschenko-Regime nicht von seinem Plan“ abrücke, Polen zu destabilisieren. Minsk suche immer noch nach neuen Wegen, um Ausländer nach Belarus zu bringen. „Es gibt Anzeichen dafür, daß die von weißrussischen Diensten organisierte Nutzung der Strecke zwischen Moskau und Minsk zur Bewältigung dieser Krise in naher Zukunft zunehmen könnte“, unterstrich Żaryn.

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Foto: Polnisch-weißrussischer Grenzübergang Kuznica/Bruzki: Immer noch streng bewacht