© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Die amerikanische Rebellion gegen den modernen „Woke-Kapitalismus“
Konservative Nische
Thomas Kirchner

Grüne Fonds liegen im Trend (JF 37/21), doch schon kommt der Gegentrend: US-Vermögensverwalter legen börsennotierte Fonds (ETF) auf, die „politisch neutral und sozial konservativ“ (2ndVote Advisors) investieren, oder in Firmen, die „republikanische Werte unterstützen“ (MAGA ETF) oder Firmen boykottieren, die „konservativen Werten feindlich“ gegenüberstehen (American Conservative Values ETF). Anlaß sind amerikanische Firmen, die Zeitgeistiges wie die „Critical Race Theory“, die Zensur konservativer Meinungen, unwirtschaftliche Klimainvestitionen oder die Diskriminierung weißer Männer bei Personalentscheidungen umsetzen.

Der New York Times-Journalist Ross Douthat nannte das „Woke-Kapitalismus“. Ist dies nicht nur eine PR-Aktion, könnten diese Unternehmen dadurch wirtschaftlichen Schaden nehmen. Anleger, die solche Firmen meiden, könnten Verluste vermeiden. Ein „Anti-Gutmenschen-Fonds“ müßte dann langfristig besser abschneiden als ein Indexfonds. Der frühere US-Vizepräsident Al Gore behaupete bei der UN-Klimakonferenz in Glasgow sogar, 130 Billionen Dollar wären heute schon in „nachhaltige Anlagen“ investiert. Da sich die Aktien- und Anleihenmärkte weltweit nur auf etwa 220 Billionen Dollar summieren, scheint diese Zahl durch Doppel- und Dreifachzählungen aufgebläht. Die 35-Billionen-Schätzung der grünen Global Sustainable Investment Alliance (GSIA) ist plausibler. Die „konservativen“ Fonds haben allerdings keine Chance, auch nur näherungsweise an solche Summen zu kommen.

Die Idee, in aktuell verpönte Aktien zu investieren, ist nicht neu. Seit 2002 macht es der USA Mutuals Vice Fund (VICEX) vor. Bis zu einem Managerwechsel 2019 war der Fonds mit Anlagen in Tabak-, Alkohol- und Kasino-Aktien überaus erfolgreich und schlug den S&P 500-Index der größten US-Firmen. Doch seitdem enttäuscht VICEX. Vom Aktienboom seit Frühjahr 2020 hat er nur begrenzt profitiert. Und trotz der langfristig guten Rendite bleibt VICEX mit 90 Millionen Dollar Fondsvermögen ein Nischenprodukt. Auch die neuen Anti-Woke-Fonds werden wohl ebenfalls eine Randerscheinung für Privatanleger bleiben. Mächtige institutionelle Anleger wie Versicherungen und Pensionsfonds reiten inzwischen vollständig auf der Nachhaltigkeitswelle. Weil auch viele Privatkunden so investieren möchten, haben Vermögensverwalter passende Strategien im Angebot. Würden sie Gegenteiliges anbieten, wären die zahlreichen „grünen“ Kunden verprellt. Die Nachfrage für VICEX & Co. muß erst so stark steigen, daß sie nicht mehr übersehbar ist.

Nach nachhaltigen Prinzipien zu investieren war in den vergangenen Jahren einfach, denn Öl-, Gas- und Kohleaktien liefen schlecht. Deshalb erzielten nachhaltige Anlagen höhere Renditen als gewöhnliche Aktienindizes. Doch jetzt steigen Energiepreise und die Kurse der „fossilen“ Unternehmen. „Grüne“ Anlagen werden schlecht abschneiden, wenn dieser Trend anhält. Dazu kommt, daß hoch bewertete Technologiewerte wie Apple, Tesla oder Facebook in nachhaltigen Strategien überrepräsentiert sind, so daß ein Platzen der Technologieblase negative Auswirkungen hätte. Wenn die Rendite stimmt, werfen viele Anleger ihre Prinzipien über Bord. Enttäuscht die „grüne“ Rendite, könnten sich die Anti-Gutmenschen-Fonds hoher Zuflüsse von ehemals nachhaltigen Anlegern erfreuen. Dann wird es nicht lange dauern, bis ähnliche Fonds auch in Deutschland angeboten werden.