© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Unausgegoren und gefährlich
Wohnungsmarkt: Neue Vorschläge zur Immobilienbesteuerung aus der Wirtschaftsforschung
Stefan Kofner

Ökonomen versorgen derzeit die sich bildenden Koalitionen in Berlin und im Bund mit Vorschlägen zur Lösung der Probleme an den Wohnungsmärkten. Das Team Clemens Fuest (Ifo-Institut München), Johanna Hey (Universität Köln) und Christoph Spengel (Universität Mannheim) will Immobilien nicht gleich enteignen, wie es eine Wählermehrheit beim Berliner Volksentscheid befürwortet hat (JF 40/21), sondern „fair besteuern“ (Ifo Schnelldienst 12/21). Die drei Professoren wollen Steuerprivilegien für Wohnimmobilien abschaffen, um „Fehlanreize für Investoren“ zu beseitigen und der „unfairen Verteilung der Steuerlast“ entgegenzuwirken.

Konkret sollen bei der Einkommensteuer Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Wohnimmobilien im Privatvermögen auch außerhalb der Zehnjahresfrist besteuert, die Gewerbesteuerbefreiung abgeschafft und die Grunderwerbsteuer reformiert werden. Gegen den letzten Punkt ist nichts einzuwenden, denn immer noch zahlen private Haus- und Wohnungskäufer die volle Grunderwerbsteuer auf den Kaufpreis ihrer Immobilie – selbst dann, wenn sie selbstgenutzt ist – während beim Handel mit Immobilienpaketen im Wege sogenannter Share deals die Besteuerung weitgehend vermieden werden kann. Das Gewerbesteuerprivileg für die reine Wohnraumvermietung ist dagegen auch eine Verwaltungsvereinfachung, die man nicht zur Disposition stellen muß.

Steuerliche Trostpflaster für den einkassierten Mietendeckel

In der „Doppelbegünstigung aus unbegrenztem Werbungskostenabzug und Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinnes“ bei vermieteten Immobilien sehen die drei Autoren die „letzten verbliebenen großen Steuervergünstigungen“ des Einkommensteuerrechts. Veräußerungsgewinne müßten voll besteuert werden. Vorn einer Doppelbegünstigung kann jedoch überhaupt keine Rede sein, denn das objektive Nettoprinzip, das seinerseits Ausfluß des Leistungsfähigkeitsprinzips der Besteuerung ist, erfordert die Zulässigkeit des vollständigen Abzugs aller Werbungskosten wie etwa Zinsen, Abschreibungen und Instandhaltungsaufwand von den Miet­einnahmen. Das Erzielen von Umsätzen erhöht ja nicht eins zu eins die steuerliche Leistungsfähigkeit.

Davon abgesehen gibt es auch besondere Lasten des Immobilieneigentums wie die Grundsteuer und die Grunderwerbsteuer, wobei die Grunderwerbsteuer nur die privaten Amateurvermieter trifft und nicht die börsennotierten Großvermieter, deren Veräußerungsgewinne im übrigen grundsätzlich steuerpflichtig sind. Außerdem wird mit der zehnjährigen Mindesthaltefrist dem Immobilienhandel aus kurzfristigen spekulativen Motiven heraus entgegengewirkt und stattdessen eine langfristige, gemeinnützige „Sparform“ gefördert.

Ein Vermieter kann wegen der Mietbegrenzungen nicht wie ein Handwerksmeister einfach den Preis verlangen, der der Knappheitssituation am Markt entspricht. Die punktuelle Privilegierung von Investitionen in Mietwohnraum ist somit als eine Kompensation für die vielfältigen Belastungen und Beschränkungen dieser Eigentumsform anzusehen, und hier ist die Waage spätestens mit dem bevorstehenden Wegfall der Sonderabschreibungen für den Mietwohnungsneubau nicht mehr ausbalanciert. Regulierung und Wohnungsbauförderung sind zwei Seiten derselben Medaille, und die Nutznießer sind die Mieter. In der jetzigen Wohnungsmarktsituation die Veräußerungsgewinne in allen Fällen voll der Einkommensteuer zu unterwerfen, würde die Investitionsanreize deutlich beeinträchtigen und das schöne Ampelziel von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr könnte man gleich in den Wind schreiben. Der Situation angemessen wäre vielmehr die Wiedereinführung der degressiven Abschreibungen.

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW aktuell 75/21) hat sich mit einem kreativen Vorschlag zu Wort gemeldet. Die Ökonomen Stefan Bach, Claus Michelsen und Marco Schmandt wollen in Berlin eine Mietensteuer einführen, als proportionale Basisvariante in Höhe von drei Prozent auf die Nettokaltmieten aller Wohnungen in Berlin. In der „progressiven Variante“ gibt es eine Art Stufentarif: Je nach dem Grad der Überschreitung der Grenze von 110 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete wird eine Steuer von 10, 20 oder 30 Prozent des Unterschiedsbetrags fällig. „Miethaie“ zahlen also mehr. Ob sie deswegen die Miete senken?

Nebenbei wird angeregt: „Dabei könne man auch gleich die Wohneigentümer einbeziehen, die eine (fiktive) Miete versteuern müßten, die aus Vergleichsmieten abgeleitet wird.“ Wobei das Baukindergeld gerade ausgelaufen ist, die Grunderwerbsteuer in Berlin bei 6,5 Prozent liegt und die Boden- und Baupreise durch die Decke gehen. So wird die eigene Wohnung zum Privileg der Reichen. Die vom DIW auf 200 Millionen Euro geschätzten jährlichen Steuereinnahmen sollen zur Senkung von Mieten oder für den Wohnungsbau eingesetzt werden. Die Mietensteuer wird als eine Art Trostpflaster für den vom Bundesverfassungsgericht einkassierten Mietendeckel (JF 17/21) angepriesen, und es wird klar gesagt, daß man die in den Boomjahren erzielten Vermietergewinne wegbesteuern möchte. Als ob Marktlagengewinnen heute nicht im Auf und ab der Wohnungszyklen künftige Verluste gegenüberstünden.

Investitionshemmnisse müssen endlich beseitigt werden

Die Mietensteuer stellt in dieser Form weder eine Umsatz- noch eine Gewinnsteuer dar. Sie wäre eine branchenbezogene Sondersteuer, die sich steuersystematisch kaum einordnen ließe. Aufgrund ihres Umsatzbezugs besteht keine erkennbare Verbindung zur steuerlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Vermieter. Die Behauptung der DIW-Forscher, daß die Mietensteuer nicht überwälzt werden könne, trifft bei der proportionalen Variante gar nicht und bei der progressiven Variante allenfalls teilweise zu – und zwar nur in dem derzeitigen regulatorischen Umfeld mit engen Kappungsgrenzen und Mietpreisbremse.

Eine solche Steuer wäre ein erhebliches Investitionshemmnis. Sie perpetuiert das herrschende straffe Höchstmietensystem durch die Hintertür, und sie dient auch dazu, den privaten Wohnungsbau durch einen staatlich gelenkten zu ersetzen. Wie schon beim Mietendeckel und der Vergesellschaftungsinitiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ wäre wieder unklar, ob der Landesgesetzgeber überhaupt zuständig ist und ob die Mietensteuer sich materiell mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzartikels 14 vertragen würde.

Das Fuest-Team will „ungerechtfertigte“ Subventionen einsammeln und das Bach-Trio die Vermieter und Investoren mit einer neuen Steuer beglücken. Doch diese Ideen sind nicht nur grundsätzlich falsch, sie würden auch den Wohnungsmangel in Berlin und anderen Boomregionen verschlimmern und private Vermieter benachteiligen. Die Wohnungspolitik sollte nicht auf diese Experten hören.






Prof. Dr. Stefan Kofner lehrt Immobilien- und Bauwirtschaft an der Hochschule Zittau/Görlitz.

Fotos: Berliner Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen!“: Ökomen suchen Alternativen; Mieterprotest: Untaugliche Ideen, um den Wohnungsmangel zu beseitigen