© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe die Schnauze gestrichen voll. Corona, Corona, Corona – überall, durchgehend, auf sämtlichen Kanälen, vom Morgenradio bis zur abendlichen Talkshow und dem Nachtjournal. Vor allem die sich gefühlt täglich verschärfende Hetze, Diskriminierung, Ausgrenzung und Spaltung zehrt an den Nerven. So twitterte der unvermeidliche Karl Lauterbach am 15. November: „Das gesamte öffentliche Leben muß auf 2G reduziert sein. Die Kontrollen mit Strafen, unangenehm und teuer, ich weiß, sind das zentrale Mittel. Die Ungeimpften müssen das ertragen, weil, wenn man ehrlich ist, sie auch mit dem Leben der anderen spielen.“ Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, eigentlich ein besonnenener Mann, warnte angesichts der hohen Zahl von Neuinfektionen vor 400 Todesfällen – und zwar täglich, daran sei „nichts mehr zu ändern“. Der geschäftsführend noch amtierende Gesundheitsminister Jens Spahn verstieg sich am Montag dieser Woche vor der Bundespressekonferenz gar zu der Aussage, daß am Ende dieses Winters wahrscheinlich „so ziemlich jeder in Deutschland geimpft, genesen oder gestorben“ sein werde. Das klingt nach Endzeit.


Ablenkung vom Corona-Overkill bieten natürlich auch Fluchten in die Welt des Geistes.

Einer der wenigen Lichtblicke in dieser Düsternis ist der Video-Blog von Marco Rima, jeden Sonntag als „Rima-Spalter“ neu auf der Netzseite der Schweizer Satirezeitschrift Nebelspalter. In der jüngsten Folge widmet sich der Komiker dem Thema „Ziviler Ungehorsam“ – selbstredend humorvoll, teilweise überdreht, aber im Kern sehr ernst gemeint: „Nein, ich bin entrüstet, schämt euch alle, die diese unsäglichen Entscheidungen und Maßnahmen der Politik gutheißen.“


Fundstück: „Die Magie des Widerstands beginnt zu wirken, wenn der Widerstand sichtbar wird und sich die Gleichgesinnten erkennen. Die ersten sind auf diesem Weg vorausgegangen. Schließt euch an.“ (Milosz Matuschek, Jurist und Publizist, ehemals Kolumnist der Neuen Zürcher Zeitung, in seinem Essay „Wenn Widerstand zur Pflicht wird“ vom 4. November 2021 auf dem Blog https://miloszmatuschek.substack.com/)


Ablenkung vom Corona-Overkill bieten natürlich auch Fluchten in die Welt des Geistes. Hier lege ich insbesondere Naturliebhabern, die sich an der Schöpfung erfreuen, den nachgelassenen Gedichtband „Schnee fiel in meinen Schlaf“ (Edition Rugerup, 96 Seiten, 17,90 Euro) ans Herz, den der Schriftsteller und Lyriker Ulrich Schacht noch bis zu seinem plötzlichen Tod im September 2018 geschrieben und für eine Veröffentlichung vorbereitet hatte. Er umfaßt 52 Gedichte und ein kluges, einfühlsames Nachwort von Sebastian Kleinschmidt, der zwei Jahrzehnte lang die Kultur- und Literaturzeitschrift Sinn und Form leitete. Für eine längere Fluchtstrecke empfehle ich den Briefwechsel zwischen Ernst Jünger und seiner ersten Ehefrau Greta, erschienen bei Klett-Cotta. Ihre Korrespodenz erstreckt sich über rund vier Jahrzehnte und wird vom Verlag zu Recht als zeitgeschichtliches Dokument ersten Ranges beworben.