© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Aktivisten spielen Journalisten
Kampf gegen Rechts: Presseähnliche Initiativen etablieren sich neben klassischen Medien
Ronald Berthold

Ein ganzes Heer von Aktivisten, teilweise mit Steuergeldern ausgestattet, betätigt sich inzwischen redaktionell, ohne dieses Fach gelernt zu haben. Vielfach arbeiten diese Organisationen mit etablierten Medien zusammen oder beeinflussen sie durch ihre Tweets. Vor allem, wenn es um Denunziation von vermeintlichen Rechten oder Corona-Skeptikern geht, hat sich dieses pseudojournalistische Genre zu einem Machtfaktor entwickelt.

Die Konsumenten nehmen von den linkslastigen Hilfsredakteuren kaum Notiz, weil die Aktivisten als Zulieferer arbeiten und mit Twitter ein soziales Medium nutzen, das in Deutschland außerhalb der journalistischen Blase nicht viele Nutzer hat. Oft landen deren selbsternannte Recherchen und Videos in den Mainstream-Nachrichten.

Da ist zum Beispiel das selbsternannte „Recherchenetzwerk Antischwurbler“, das im Mai im Tagesspiegel eine verleumderische Geschichte über jene Schauspieler, Regisseure und Produzenten mitverfaßte, die sich an „#allesdichtmachen“ beteiligten – einer ironischen Kritik an den Corona-Maßnahmen. Weitere Medien übernahmen die angeblichen „Enthüllungen“ über das angeblich gefährliche System hinter den Künstlern. Schauspieler wie Ulrich Tukur oder Jan Josef Liefers standen damit in einer verschwörungstheoretischen Ecke. Nach heftiger Kritik von Lesern mußte der Tagesspiegel einräumen, einiges „falsch gemacht“ zu haben.

In eigener Sache schrieb das Blatt später, das sogenannte Recherchenetzwerk bestehe aus acht Personen, die „aus Angst vor Racheakten aus der Szene“ alle anonym bleiben möchten. Damit suggerierte der Tagesspiegel nicht nur, das Objekt der Berichterstattung sei gewalttätig. Er räumte gleichzeitig ein, unprofessionell zu arbeiten. Denn Quellenschutz ist das eine, aber redaktionelle Mitarbeiter namentlich zu benennen, war bisher eine Selbstverständlichkeit. Das „Recherchenetzwerk Antischwurbler“ betreibt nicht einmal eine eigene Webseite. Meist geraten solch zweifelhafte Kooperationen aber nicht an die Öffentlichkeit.

Zeitungen und TV-Formate suchen die Kooperation

Ein anderes Beispiel ist die „Bildungsstätte Anne Frank“, die unter anderem durch das Bundesinnenministerium, das Bundesfamilienministerium, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt am Main gefördert wird. „Kein Geld für die AfD“ lautet die aktuelle Kampagne, die wiederum Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“ unterstützt. Aus Steuer- und Gebührengeldern finanzierter Aktivismus vermengen sich hier zu einer Aktion, mit der verhindert werden soll, daß die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung genau wie die anderen parteinahen Stiftungen Gelder aus dem Bundeshaushalt erhält. Deren Vorsitzende Erika Steinbach kritisiert, der Name des Holocaust-Opfers Anne Frank werde „übelst zu politischer Linkspropaganda mißbraucht“.

Selbst die Bild-Zeitung übernimmt inzwischen Bilder einer weiteren vermeintlich antifaschistischen Organisation. „Vue-critique“ tritt bei Twitter ebenfalls journalistisch auf, produziert Texte und Filme. Aus einem Video über eine „Querdenker“-Demonstration in Leipzig veröffentlichte das Blatt am 8. November nicht nur einen Screenshot, sondern machte sich auch die Sprachregelung der linken Aktivisten („Corona-Leugner“, „Neonazis“) zu eigen, ohne dies als Zitat zu kennzeichnen. Daß ausgerechnet ein Springer-Medium dies tat, war „vue-critique“ allerdings nicht recht. Auch der Deutsche Journalisten-Verband ergriff Partei für die Pseudo-Journalisten und kritisierte, die Übernahme sei „ohne Nachfrage & Genehmigung“ erfolgt. Dies zeigt, welchen offiziösen Status diese Pseudo-Medien inzwischen erreicht haben.

Die Süddeutsche Zeitung besprach wohlwollend ein Buch, das das Netzwerk „democ. Zentrum Demokratischer Widerspruch e. V.“ zum antisemitischen Anschlag in Halle 2019 erarbeitet hat. Zwei Aktivisten und ein Politologe haben in dem knapp 1.000 Seiten starken, vergangene Woche erschienenen Werk alle Aussagen während des Prozesses „nach bestem Wissen und Gewissen“ niedergeschrieben. Sie räumen ein, daß es dabei ein „subjektives Moment“ gebe, das „jedem Schreibakt inhärent“ sei. Auch democ tritt als presseähnlicher Berichterstatter auf, filmt oder fotografiert beispielsweise von Demonstrationen und verfaßt Artikel auf der eigenen Netzseite.

Der Einfluß pseudoredaktioneller Aktivisten reicht inzwischen sogar bis nach Österreich. OE24 verlinkte im September in einem Beitrag unkommentiert zu einem von dem Twitter-Profil „Schwurbelwatch“ selbst so bezeichneten „teilweise wütenden Thread“, in dem Til Schweiger als „Depp“ bezeichnet wird. Grund: Er hatte sich gegen die Impfung von Kindern ausgesprochen. „Schwurbelwatch“ ist in ein regelrechtes „Watch“-Netzwerk mit „Querdenkenwatch“ oder „UnionWatch“ eingebettet, das systematisch die sozialen Netzwerke, aber auch Offline-Aktionen nach unliebsamen Äußerungen scannt.

Foto: Machen einen auf Berichterstattung: Democ & Co.