© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Frisch gepreßt

Demokratie jetzt. Wer es wie Isabell Lorey geschafft hat, aus dem Heer prekär beschäftigter Politologen zur Professorin für „Queer Studies“ an der Kölner Kunsthochschule für Medien aufzusteigen, darf wohlversorgt wieder abtauchen in schönste Kindheitsträume, von denen ihr jüngstes Buch kündet. Mit dem Mut zur Lächerlichkeit folgt sie darin dem alten Chiliasten Ernst Bloch, dessen „Geist der Utopie“ (1918) und den von ihm inspirierten, einst „basisdemokratischen“ Grünen, wenn sie vorschlägt, die parlamentarische Demokratie durch eine „präsentische Demokratie“ zu ersetzen. Dafür bemüht sie vorbildliche historische „Praxen“ (kommt im Text stilsichere 500mal vor!), so „die Räte und die soziale Revolution der Pariser Commune, die feministischen und queeren Bewegungen der 1970er, die Strategien der Zapatistas aus den 1990ern und die Horizontalität aus der Argentinischen Revolution“. Da es seit der Finanzkrise von 2008 mit den „maskulinistischen politischen Strukturen“ des globalisierten „patriarchalen Neoliberalismus“ unaufhaltsam bergab gehe, stünden jetzt die Chancen gut, „eine demokratische Rebellion loszutreten“. Von der Kunsthochschule Köln aus! Schade, daß Lorey, die von der empirisch gesicherten These ausgeht, neoliberale Gesellschaften zeichnen sich durch „Normalisierung von Prekarisierung“ aus, schließlich überfällige „revolutionäre Tigersprünge“ besingt. Für Historiker, die sich einmal dem Narrenhaus BRD zuwenden werden, dürfte das Büchlein trotzdem von hohem Wert sein. (wm)

Isabell Lorey: Demokratie im Präsens. Eine Theorie der politischen Gegenwart, Suhrkamp Verlag, Berlin 2020, broschiert, 217 Seiten, 20 Euro





Totenwolf. Ernst Wiecherts Vorstellungswelt wurde bestimmt durch Seen, Moore und Wälder seiner ostpreußischen Heimat, wo er im Forsthaus Kleinort 1887 geboren wurde. Ein östliches Element des Lyrisch-Weichen und -Breiten charakterisiert und durchzieht dann auch seinen Stil. Nach dem Erleben des Grauens im Ersten Weltkrieg wandte er sich in seinem Roman „Der Totenwolf“ (1924) strikt gegen alle duldsame Lebenshaltung – zu der auch das Christentum zählte –, und die hergebrachte Ordnung. Heidnisch, antichristlich und deutschbewußt wird so der Wald einzig zum Symbol des Bleibenden. Im „Totenwolf“ ist Wiecherts Protagonist Wolf Wiesendahl wie er selbst ein ehemaliger Weltkriegsoffizier, der eine nationalistische und gegenrevolutionäre Haltung vertritt. Er findet seelisch zerrüttet keine Heimat mehr, sondern nur noch Verrat, Verfall und einen gesellschaftlichen Banalismus. Und so beginnt der Totenwolf schließlich seinen Rachefeldzug. (W.O.)

Ernst Wiechert: Der Totenwolf. Roman.Lindenbaum Verlag, Beltheim-Schnellbach 2021,gebunden, 230 Seiten, 18 Euro