© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Adventsflair mit und ohne Maske
Unter Corona-Bedingungen: In Deutschland starten die Weihnachtsmärkte
Paul Leonhard

In Hamburg gibt es in diesem Jahr garantiert wenigstens einen Weihnachtsmarkt. Das ist im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Städten ganz sicher. Denn der 16. Wandsbeker Winterzauber hat bereits seit dem 5. November geöffnet. Auf rund 2.600 Quadratmetern gibt es hier nicht nur den Duft von Glühwein, Mandeln und Lebkuchen, sondern auch eine Kunsteisbahn. 

Viele andere Weihnachtsmärkte stehen, wie man so sagt, „in den Sternen“. Allein bei dem Gedanken an sich vor den Buden drängelnden Menschenmassen überkommt Politiker vielerorts das kalte Grausen. Und so ist der bereits mühselig herantransportierte und auf dem Marktplatz aufgestellte, geschmückte Baum noch längst keine Garantie dafür, daß tatsächlich ein Weihnachtsmarkt stattfinden wird.

Bis zum Ende der Saison kann sich noch einiges ändern

In Dresden beispielsweise steht auf dem Altmarkt ein Prachtexemplar von einer Tanne, symmetrisch gewachsen und schön, wie lange nicht mehr. Doch die feierliche Eröffnung am vergangenen Montag fiel aus, der traditionelle Striezelmarkt ist ein Geistermarkt. Das gleiche Bild bei den etwa 80 Buden in Annaberg-Buchholz, wo man mit traditionellen erzgebirgischen Pyramiden und Schwibbögen die Besucher locken wollte. Doch Sachsen hat alle Weihnachtsmärkte coronabedingt abgesagt. Viele Aussteller bangen nun um ihre Existenz. 

Entsetzen auch in Bayern, wo ebenfalls alle Weihnachtsmärkte abgesagt wurden. So findet auch der Nürnberger Christkindlesmarkt nicht statt, obwohl dieses Jahr dafür nahezu die gesamte Altstadt vom Hauptmarkt mit dem Schmuchhof und dem Rathausplatz bis zur Insel Schütt eingeplant war. Anderenorts stehen die Hygienekonzepte noch. Vielfach wurden die Märkte örtlich und zeitlich entzerrt. So soll der Weihnachtsmarkt in Schwerin bis zum 30. Dezember geöffnet sein. Im Innenbereich gilt dabei die 2G-Regel, der Außenbereich aber bleibt samt Karussells frei zugänglich – sogar ohne Maske. 

Der Markt in Stralsund soll sogar über den Jahreswechsel hinaus bis zum 9. Januar dauern. Die bange Frage dabei ist, ob ein Weihnachtsmarkt noch nach den Festtagen funktioniert. Eine andere ist: Schrecken Einlaßkontrollen Besucher ab, oder werden sie Verständnis dafür aufbringen, daß sie nachweisen müssen, geimpft, genesen oder getestet zu sein? 

Im nordrhein-westfälischen Herne stehen die Spielregeln fest. Wer den Cranger Weihnachtszauber vom 18. November bis zum 30. Dezember besuchen möchte, muß sich am Eingang kontrollieren lassen und einen Euro für die 2G-Hygieneauflagen berappen. Dafür kann er dann den größten Weihnachts-Themenmarkt Europas einschließlich des größten mobilen Weihnachtsbaums der Welt betreten.

Noch strenger sind die Regeln auf dem Gendarmenmarkt in Berlin. Zwar haben Kinder unter zwölf Jahren hier bis 31. Dezember freien Eintritt, dafür müssen Jungen und Mädchen ab sechs Jahren einen negativen Corona-Test vorlegen. Heidelberg setzt auf Einlaßarmbänder, Oldenburg auf eine vergrößerte Marktfläche mit 3G-Vorgaben und Stuttgart auf 2Gplus, das heißt Geimpfte und Genesene brauchen zusätzlich einen tagesaktuellen Test. 

In München wurde der Christkindlmarkt zwar abgesagt, aber über ein digitales Ausstellerverzeichnis können einzelne Produkte im Internet bestellt werden – Adé schöne Atmosphäre. Vor dem Römer in Frankfurt am Main strahlt dagegen der größte Weihnachtsbaum in Hessen, doch linke Spaßverderber haben das Schauspiel im Visier. Die Frankfurter Aktivistin Annette Ludwig von „NoFragida“ hat die Onlinepetition „Stoppt den Frankfurter Weihnachtsmarkt“ gestartet.

71 Prozent der Deutschen wollen auf ihre Märkte nicht verzichten

Bei größeren Märkten, die nicht abgesperrt werden können, haben die Kommunen angekündigt, Zufallskontrollen durchzuführen und Verstöße gegen die Corona-Regeln mit Ordnungsgeldern zu ahnden. Dazu zählt in ganz Baden-Württemberg beispielsweise das Mißachten der Maskenpflicht auf den Weihnachtsmärkten. Wer wenigstens für kurze Zeit befreit durchatmen möchte, muß sich etwas zu essen oder zu trinken kaufen – Pflicht ist der sofortige Verzehr. 

In Hamburg schlägt man diesbezüglich andere Wege ein. Der Senat hat den historischen Roncalli-Weihnachtsmarkt (22. November bis 23. Dezember) auf dem Rathausmarkt einfach in einen Gastronomiebereich geteilt, zu dem nur Genesene und Geimpfte Zutritt haben, und in das Reich der Buden der Händler, das alle besuchen dürfen, wenn sie denn Mindestabstand und Maskengebot einhalten.

Trotz der mitunter komplizierten Regeln wollen sich die Deutschen die Freude an den Weihnachtsmärkten nicht verderben lassen. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur wollen 71 Prozent der Bundesbürger in diesem Jahr „bestimmt“ oder „wahrscheinlich“ den anheimelnden Budenzauber genießen, 38 Prozent sogar zwei- bis dreimal.

Foto: Polizisten auf dem Duisburger Weihnachtsmarkt: Dort gelten die 2G-Regeln