© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/21 / 26. November 2021

Der Flaneur
Knallhartes Feilschen
Paul Leonhard

Buntes Gewimmel an den Trödelmarktständen. Kleine Kinder stehen verträumt vor Ritterfiguren, greifen nach der Hand ihres Vaters. Kann er ihren Wunsch erfüllen? Blusen werden skeptisch betrachtet, Kleider anprobiert. Eine Frau dreht sich vor einem der Spiegel, die der Möbelhändler nebenan anbietet. 

Die Verkäuferin hebt alle Finger der einen und drei der anderen Hand in Richtung des Mannes der Frau: Acht Euro. Der Mann schüttelt den Kopf: Fünf würde er zahlen. Der Verkäuferin entfährt spontan ein Stoßseufzer: „Ich würde schon ganz gern acht haben.“

Die eigene Tochter hat Pech gehabt; mit keinem der Puppenverkäufer konnte ich mich einigen.

Der potentielle Käufer bleibt stur, die Frau auch. Dann gibt sie sich einen Ruck: Sechsfünfzig. Der Mann zwinkert mir, der ich den Vorgang neugierig verfolge, zu und hebt jetzt seine rechte Hand: Fünf Finger. „Nee, 6,50, eigentlich wollte ich ja acht“, klagt die Händlerin.

Nebenan fragt ein Mädchen nach dem Preis für einen Kunstledergürtel. Zwei Euro werden verlangt. Beim Blick auf das lange Gesicht des Mädchens nur noch einer. „Wir haben unser Budget gerade auf 50 Cent festgelegt“, mischt sich die Mutter ein. Das Mädchen flüstert, ein Euro sei doch auch okay. „Aber wer weiß, ob der Gürtel wirklich zu Deinem Kleid paßt“, sagt die Mutter laut.

Nach der ersten Runde habe ich ein Gefühl dafür, mit welchen Händlern man richtig gut feilschen kann. Nach verbalem Geplänkel, Weiterlaufen und Zurückgerufenwerden, bin ich allmählich 50 Euro los, und mein Stadtrucksack hat sich mit ein paar Reiterfiguren, Kinder-T-Shirts und einem Kleid gefüllt. Die Tochter hat Pech gehabt; mit keinem der beiden Puppenverkäufer konnte ich mich einigen. Und auch der Sohn kriegt keinen Superhelden zum Spielen. Das seien alles Sammelfiguren, belehrt mich einer der Händler, als ich angesichts des aufgerufenen Preises zusammenzucke.

Beim zweiten Rundgang kommt mir der Mann mit dem Kleid entgegen. Ich schaue ihn fragend an. Er weiß, was ich meine. Sechs, raunt er mir zu und lacht. Seine Frau hätte sogar zehn bezahlt. Für die Differenz leiste er sich jetzt ein Bier. Auch die Händlerin scheint zufrieden. Ich höre, wie sie zwei junge Frauen verabschiedet, mit denen sie offenbar schneller handelseinig geworden ist als mit dem feilschenden Mann.