© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/21 / 03. Dezember 2021

Der Konflikt spritzt sich zu
Umfrage zur Impfpflicht: Eine Mehrheit ist längst geimpft / Würde mehr öffentlicher Druck die anderen umstimmen?
Christian Vollradt

Impfpflicht. Ein kleines Wort sorgt für große Aufregung. Bisher stets vehement ausgeschlossen und – von Politikern wie Experten – ins Reich der Verschwörungstheorien verbannt,  wird sie nun immer lauter gefordert – von Politikern wie Experten. Sei es als allgemeine Impfpflicht oder zumindest für bestimmte Berufsgruppen. 

Als einer der ersten Länderchefs hatte sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ausgesprochen. Und Forscher der Natio­na­len Akade­mie der Wissen­schaf­ten Leopol­di­na plädierten für die rasche Einfüh­rung einer Impf­pflicht für medi­zi­ni­sches Perso­nal. Bei der Bundeswehr gehört das Vakzin gegen Corona bereits zu den „duldungspflichtigen Impfungen“. Soldaten, die sich weigern, riskieren eine Disziplinarstrafe.  Hinzu kommt mit der 2G-Regelung (Zutritt nur für Geimpfte oder Genesene) in immer mehr Einrichtungen die faktische Impfpflicht. 

Nur elf Prozent wollen ungeimpft bleiben

Auch die Meinung der Deutschen allgemein zu einer Impfpflicht gegen das Covid-19-Virus hat sich im Verlauf der Pandemie verändert. Laut aktuellem Deutschlandtrend sprach sich die deutliche Mehrheit der Befragten (69 Prozent) im November für eine allgemeine Impflicht aus. Vor allem die Wähler von Union und SPD befürworten sie (85 beziehungsweise 83 Prozent), gefolgt von denen der Grünen (75 Prozent). Etwas weniger als der Durchschnitt stimmen Anhänger der Linken und der FDP für eine Impfpflicht (64 beziehungsweise 56 Prozent). Im krassen Unterschied dazu sind die Wähler der AfD mehrheitlich gegen die Pflicht zur Impfung, lediglich 27 Prozent sprachen sich dafür aus. 

Führt die Debatte um eine mögliche Impfpflicht oder die bereits jetzt geltenden Einschränkungen und zusätzlichen Auflagen für Ungeimpfte – Stichwort 3G am Arbeitsplatz – zu einem Umdenken bei denjenigen, die sich (bisher) nicht impfen lassen wollten? Befürworter restriktiver Maßnahmen verweisen auf das Beispiel Österreich, wo die sogenannte „Schnitzel-Panik“ dazu geführt habe, daß sich nach Ankündigung massiver Einschränkungen Anfang November lange Schlangen vor den Impfzentren oder -bussen bildeten. Zusammengenommen, so die Schlußfolgerung, hätten sich da mehr Leute für eine Spritze angestellt als an den Großdemonstrationen gegen die Corona-Politik teilnahmen. Oder aber verstärkt der Druck von außen nur noch zusätzlich die Abwehrhaltung gegen den Piks? Nach dem Motto: jetzt erst recht – nicht! 

Um das herauszufinden, fragte das Meinungsforschungsinstitut Insa im Auftrag der JUNGEN FREIHEIT vergangene Woche nach. Dabei zeigte sich zunächst, daß eine sehr große Mehrheit der Befragten (73 Prozent) zweifach gegen das Coronavirus geimpft ist (siehe Grafik). Vier Prozent geben an, sie seien aktuell teilweise geimpft. Insgesamt geben 14 Prozent (zusammengefaßt) an, aktuell noch ungeimpft zu sein. Ein größerer Anteil der Befragten, die ungeimpft sind, will sich auch in absehbarer Zeit nicht impfen lassen (elf Prozent), während drei Prozent erklärten, sich bald impfen lassen zu wollen. 

Ältere Befragte sind deutlich häufiger vollständig gegen das  Coronavirus geimpft als jüngere (von 61 Prozent bei den 18- bis 29jährigen bis zu 83 Prozent bei den über 60jährigen). Ein deutlicher Unterschied auch zwischen Personen mit und ohne Einwanderungshintergrund. 77 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund geben an, vollständig geimpft zu sein, unter denen mit sind es 54 Prozent. 

Bei den Parteipräferenzen fällt auf: Wähler der AfD geben deutlich häufiger als Wähler der anderen Parteien an, sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen zu wollen (39 zu 2 bis 8 Prozent). Aber: Auch unter den Wählern der AfD gibt es keine Mehrheit gegen das Impfen: 47 Prozent sind vollständig, sechs Prozent teilweise geimpft und weitere sechs Prozent haben vor, sich demnächst impfen zu lassen. Wie verfestigt aber ist eine Gegnerschaft gegen den Piks unter den wenigen, die sich nicht impfen ließen und sich auch nicht impfen lassen wollen? 53 Prozent von ihnen stimmen der Aussage zu, sie habe der öffentliche Druck von einer Impfung abgeschreckt. Und 62 Prozent der Impfunwilligen stimmen der Aussage zu, sie würden sich auch bei einer Impfpflicht nicht impfen lassen. 

Vertreten Anhänger von Grünen und AfD sonst fast immer die gegensätzlichen Pole im Meinungsspektrum, so ticken sie in einem Punkt der Umfrage erstaunlich konform. Unter denjenigen, die eine Impfung ablehnen und die sich auch im Falle einer Impfpflicht nicht impfen lassen würden, rangieren die Wähler von AfD und die der Grünen mit Abstand an der Spitze (72 beziehungsweise 67 Prozent). Bei den Anhängern der übrigen Parteien bleibt die Absicht, sich einer Impfpflicht zu widersetzen, unterhalb der 50-Prozent-Marke. Doch geben impf-unwillige Unions-, FDP- und Linke-Wähler öfter als die übrigen Wählergruppen (AfD-Anhänger eingeschlossen) an, daß sie vor allem der öffentliche Druck beim Thema Impfen abgeschreckt habe.

(Grafiken siehe PDF)