© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/21 / 03. Dezember 2021

Niederlage der Woche
Ohne Bimbes
Peter Freitag

Im politischen Berlin dreht sich (fast) alles um den anstehenden Regierungswechsel. Diese Woche wird die noch geschäftsführende Kanzlerin offiziell verabschiedet, kommende soll ihr Nachfolger Olaf Scholz gewählt werden. Nach 16 Jahren Angela Merkel ist das schon irgendwie einschneidend. Da tauchte am Montag, gleich einem Geist aus der Vergangenheit, der sich in die Gegenwart hineinmogeln möchte, noch einmal der Vorvor(vor)gänger-Kanzler namentlich in den Schlagzeilen auf: Helmut Kohl. Nicht um den 2017 verstorbenen selbst, sondern um seine finanziellen Entschädigungsansprüche ging es in einem Urteil des Bundesgerichtshofs. Noch zu Lebzeiten des größten Europfälzers aller Zeiten hatte sich selbiger nicht nur mit einem erklecklichen Teil seiner früheren Weggefährten, sondern auch mit seinem langjährigen Ghostwriter Heribert Schwan überworfen. Der Journalist schrieb daraufhin ohne Einverständnis des Oggersheimer Spendensammlers auf, was der ihm 2001 ins Tonbandgerät geplaudert hatte. „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“ wurde zum Bestseller, doch das Landgericht Köln sprach Kohl wenige Wochen vor dessen Tod eine Million Euro an Entschädigung zu. Es war seinerzeit die höchste Summe, die je wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung nach deutschem Recht verhängt worden war. Kanzlerwitwe Maike Kohl-Richter machte als Alleinerbin ihren Anspruch auf die Entschädigung durch Autor und Verlag geltend – erfolglos, wie nun höchstinstanzlich feststeht. Die Karlsruher Richter bestätigten am Montag ein Urteil des Kölner Oberlandesgerichts: Die dem Altkanzler einst zugesprochene eine Million Euro fallen nicht an Maike Kohl-Richter, der Anspruch darauf sei über den Tod des in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzten hinaus nicht vererbbar. Der Witwe bleibt nun nur noch eine Verfassungsbeschwerde.