© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/21 / 03. Dezember 2021

Guter Journalismus befindet sich auf dem Rückzug
Presse für unmündige Bürger
(ob)

Die letzte Bundestagswahl habe abermals gezeigt, wie stark die Bedeutung des gedruckten Wortes im digitalen Zeitalter abnehme und „guter Journalismus strukturell auf dem Rückzug ist“. Denn die im Printbereich noch übriggebliebenen Korrespondenten hätten lediglich „ziemlich uninspiriert hinter den jeweiligen Meinungsumfragen her berichtet“, zeitweise den Grünen das Kanzleramt zugetraut, lange über eine „Deutschlandkoalition“ spekuliert und „ersichtlich irritiert“ den Aufschwung der SPD wahrgenommen – und die Ansprüche an den oft vollmundig postulierten „Qualitätsjournalismus“ akkurat verfehlt, klagt Richard Meng, der seit kurzem das SPD-Theorieorgan Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte (10/2021) leitet. In diesem Niveauverlust offenbare sich auch das Fehlen „bewußter, gezielter Medienpolitik in den Merkel-Jahren“. Von der Stabilisierung der Bedeutung des gedruckten Wortes sei so wenig zu erkennen gewesen wie von der Förderung substantieller Textangebote im Digitalen. Kein Wunder, daß bloßes „Infotainment“ und nicht Argumente die demokratische Meinungsbildung dominiere – was einer „anspruchsvolleren Regierung“ nicht gleichgültig sein sollte. Denn wirklich mündige Bürger bilden sich ihr Urteil vornehmlich durch die Lektüre über „lange Linien“ und historische Hintergründe der Politik aufklärende Presseartikel. Nur die zunehmend als „das Gestrige“ stigmatisierte „langsame Form“ des Lesens von Gedrucktem biete genug Raum zur nachdenkenden „Eigenverarbeitung“ von Informationen. Vorausgesetzt, der noch „beträchtliche Markt“ für solche Textangebote könne vom „rarer gewordenen Qualitätsjournalismus“ bedient werden. 


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