© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/21 / 03. Dezember 2021

Kabinenklatsch
Linksliberale Leitbilder
Ronald Berthold

Zum guten Ton gehört es, daß sich Sportvereine „Leitbilder“ geben. Die sind ellenlang und nehmen so ziemlich alles auf, was als „woke“ gilt: Antirassismus, Toleranz, Respekt, Klimaneutralität, Kampf gegen Rechts usw. Fast lesen sich die Dokumente wie Parteiprogramme. Und genau wie in der Politik sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.

Ich plädiere dafür, auch das Wort „Heuchelei“ in diese angeblichen Wertekanons – oder soll ich Werte-„Kanone“ sagen? – reinzuschreiben. Denn das würde zur „Ehrlichkeit im Umgang“, dem sich alle Klubs verpflichtet sehen, gehören. Seit Monaten kündigt der FC Bayern ein neues „Leitbild“ an. Daß ich es mit Spannung erwarte, könnte ich nicht sagen. Denn es ist vorhersehbar, was drinstehen wird. Siehe oben. 

Sicher ist auch, daß wieder die „Heuchelei“ fehlen wird. Dabei ist sie die Grundtugend. All die Werte gelten nämlich, von der eigenen Imagebildung abgesehen, immer nur für die anderen: die Fans, die Mitglieder und die Gesellschaft. Man gibt sich modern und tolerant, schmückt die Ecken des Spielfeldes mit Regenbogenfahnen und trägt „Respekt“-Sticker auf den Ärmeln. In Wahrheit holt man sich die Kohle bei Unterdrückerstaaten wie China und Katar ab. Und wer dagegen aufmuckt, bekommt keinen „Respekt“, sondern die volle Härte der Vereinsführung zu spüren. Wie man eine Mitgliederversammlung leitet, unliebsame Wortbeiträge unterbindet und Anträge verhindert – das haben sich die Bosse schon prima bei ihren umstrittenen Sponsoren abgeschaut. Daß die Bayern-Veranstaltung deswegen im Chaos untergegangen ist, hat mich gefreut. Die Leute lassen sich diese elende Heuchelei nicht mehr bieten.