© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/21 / 10. Dezember 2021

Aufgeschnappt
Heteronormativität als Kolonialimport
Matthias Bäkermann

Der Gropiusbau vis-à-vis zum Abgeordnetenhaus im Zentrum Berlins gilt als eines der bedeutendsten Kunstmuseen der Hauptstadt. Grund genug, diesen Bau anläßlich einer Ausstellung der südafrikanischen Fotografin Zanele Muholi endlich zu „queeren“, wie Kuratorin Sophya Frohberg diese Woche im Portal art-in-berlin.de erklärt. Dabei soll das Werk der lesbischen, sich als nicht-binär bezeichnenden „visuellen Aktivistin“ aus Johannesburg gesellschaftliche Mißstände „in Abgrenzung zur cisgeschlechtlichen und heteronormativen Gesellschaft“ sichtbar machen. Zudem soll im Gropiusbau thematisiert werden, „daß ‘Queerness’ nichts explizit ‘Unafrikanisches’ ist“. So erklärt Frohberg geschichtskundig, daß „Geschlechterbinarität und Heteronormativität durch Missionierung und Kolonialismus nach Südafrika importiert wurden“. Deshalb sei „die Sichtbarmachung von intersektionalen queeren Lebensrealitäten“ in Berlin so etwas wie eine späte Wiedergutmachung. Obwohl Muholi die Ausstellungsarchitektur und die Raumgestaltung direkt mitentscheiden konnte, war ihr wegen der Corona-Situation eine Anreise aus Südafrika nicht möglich. Dennoch ist die Kuratorin glückselig: „So queer gab es den Gropiusbau noch nie.“