© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/21 / 10. Dezember 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Trink’ mer noch a Tröpfchen
Paul Rosen

Neu im Bundestag und gleich ein Star in den Medien: Der junge SPD-Bundestagsabgeordnete Erik von Malottki wurde erstmals bekannt, als er dem wegen seiner Tätigkeit für das IT-Unternehmen „Augustus Intelligence“ ins Gerede gekommenen CDU-Jungstar Philipp Amthor den Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern abnahm. Einmal auf der Anti-Korruptions-Welle reitend, beförderte von Malottki eine Einladung des Handy-Herstellers Huawei ins vornehme Berliner Hotel Adlon vor laufender Kamera in den Schredder. Das Video wurde 160.000mal im Internet angeschaut. „Laßt diese Einladungen ins Adlon, den China Club oder in irgendwelche Hotels“,  sagte er an die Adresse der Interessenvertreter. 

Wenn von Malottki teure Essenseinladungen als „Grenzüberschreitung“ empfindet, sollte er sich mit seiner Kritik auch an seine eigene Partei wenden. Deren größter Lobbyist ist der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der offen russische Wirtschaftsinteressen vertritt. Noch nicht vergessen ist auch der 2020 hastig aus dem Bundestag ausgeschiedene Johannes Kahrs (SPD) aus Hamburg, der sich mit ganzer Kraft für den Marineschiffbau einsetzte. Die Rüstungslobby dankte mit Spenden an die Hamburger SPD. Unter Korruptionsverdacht gerieten zwei ehemalige SPD-Abgeordnete, weil sie mit 5,6 Millionen Euro vom Panzerbauer Krauss-Maffei-Wegmann den Absatz der Kettenfahrzeuge in Griechenland fördern sollten.

Die Liste ehemaliger Politiker, die ins Lobby-Lager gewechselt sind und ihre Kontakte zu Abgeordneten nutzen, wird immer länger. So ist zum Beispiel Eckart von Klaeden (CDU) für Daimler unterwegs, der ehemalige Minister Dirk Niebel (FDP) für den Rüstungskonzern Rheinmetall. Auch Grüne sind dabei: Kerstin Andreae beim Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft untergekommen, ihr Kollege Gerhard Schick fördert die „Finanzwende“.

Die von Malottki und 38 weiteren SPD-Politikern unter dem Stichwort #unbestechlich geforderte konsequente Transparenzpflicht dürfte nicht kommen, auch wenn die Maskenaffäre und die darin verwickelten Politiker dem Ansehen der Politik schweren Schaden zugefügt haben. Denn gerade die Annehmlichkeiten in Luxushotels mag nicht jeder missen, wie nun in einem Prozeß vor dem Landgericht Osnabrück bekannt wurde. Angeklagt ist ein betrügerischer Windenergie-Unternehmer, der Kontakt in höchste Berliner Kreise pflegte, bis er vom Staatsanwalt mit Haftbefehl aus seiner Suite im Berliner Adlon Hotel geholt wurde. Dort muß es rauschende Abende gegeben haben.

So berichtete der Angeklagte, er sei zu einer Abgeordnetengruppe namens „Ruhe und Genuß“ gestoßen und habe deren Mitglieder, darunter auch ein Ex-Minister und ein Parteivorsitzender, eingeladen. Etliche Liter Champagner müssen durch die Kehlen der durstigen Volksvertreter geflossen sein, denn der Lobbyist berichtete, die Rechnung für einen dieser netten Abende habe 26.000 Euro betragen.