© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/21 / 10. Dezember 2021

Blaulicht der Woche
Vorne wie hinten
Christian Vollradt

Die wenigstens von uns werden wahrscheinlich schon einmal vom Wort „Übersignalisierung“ gehört haben. Was soll das sein? Der schmerzhafte Fußtritt der Gattin gegen das Schienbein des Mannes, mit dem unter dem Tisch und so unsichtbar für Dritte „übersignalisisert“ wird, daß ein weiteres Bier den Ehefrieden empfindlich stören könnte? Falsch. Übersignalisierung fürchtete das Bundesverkehrsministerium bei Einsatzfahrzeugen von Polizei, Rettungsdiensten oder – vor allem – bei der Feuerwehr. Deswegen ließ das Ressort den Paragraphen 52 der Straßenverkehrszulassungsordnung ändern und mit einem Zusatz versehen: „Die Anzahl der zusätzlichen blauen, richtungsgebundenen Warnleuchten mit der höchsten zulässigen Lichtstärke am Fahrzeug vorne und hinten sind nun auf jeweils ein Paar begrenzt.“ Längst vorbei sind die Zeiten, da ein grüner oder roter Bulli mit einer einzelnen, schwach glimmendem blauen Lampe samt müde sich drehendem Spiegel auf dem Dach ausgestattet war. Heutige Einsatzfahrzeuge verfügen über grell zuckende und blitzende Leuchtanlagen, die jede Dorfdisko der 70er buchstäblich in den Schatten stellten. Nicht nur auf dem Dach, auch im Kühlergrill, am Heck oder an den Seitenspiegeln flackern im Alarmfall blaue LEDs. Durch eben diese Übersignalisierung, so die Furcht der bundesministerialen Straßenwärter, würden Verkehrsteilnehmer zunehmend verunsichert werden. Das wiederum verärgert diejenigen, die sich weniger um das vor zuviel optischer Zumutung zu bewahrende Straßenverkehrsschneeflöckchen sorgen, als vielmehr um Wohl und Wehe der Rettungskräfte. Entfielen die nach hinten wirkenden blauen Blinkleuchten, sei das lebensgefährlich, so ein Sprecher der Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein. Auch der Deutsche Feuerwehrverband fordert, die Änderung wieder zu ändern.