© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/21 / 10. Dezember 2021

Ein Homo politicus
Nachruf: Der bayerische Unternehmer Baron August von Finck ist mit 91 Jahren verstorben
Joachim Starbatty

Am 28. November 2021 ist Baron August von Finck nach einem bewegten Leben 91jährig in London gestorben. Die öffentlich bekannten Fotos zeigen einen großen Mann mit sprechenden Gesichtszügen, eine vornehme Erscheinung – ein Herr. Der in München geborene Sohn des bayerischen Unternehmers August Georg Heinrich von Finck schätzte immer gute und ehrliche Arbeit, egal ob es sich um Kellner, Pförtner, Wissenschaftler, Politiker oder Unternehmer handelte. Die meisten Nachrufe würdigen August von Finck aber nicht als Unternehmer, sondern als „Kapitalisten“ und Milliardär, der durch Verkäufe und Jonglieren das Vermögen der Familie erhalten und vermehrt hat.

Selbst im Handelsblatt-Nachruf über ihn heißt es: „Wo die Gesetze des Kapitalismus wirken, hat Vaterlandsliebe keinen Platz.“ Dieser Satz ist richtig und falsch zugleich. Der Stammvater der modernen Ökonomie, Adam Smith, sagt selbst, daß derjenige, der Kapital anzulegen hat, diejenige Erwerbstätigkeit ergreifen müsse, die ihm den größten Profit verschaffe. Wenn er aus Heimatliebe eine Verwendung wähle, die einen geringeren Profit abwerfe, handele er weder im Interesse seines Kapitals noch seines Heimatlandes. August von Finck war erfolgreich, weil er Chancen auf den Märkten erkannte und das unternehmerische Portfolio danach ausrichtete.

Dabei wäre er gerne Landwirt geworden. Seine innere Neigung galt also nicht den hinter den Vermögenswerten steckenden Zahlen, sondern der Natur und der Hervorbringung von Produkten, die unmittelbar zum Wohlergehen der Menschen beitragen. Das unternehmerische Erbe zwang ihn jedoch in die Profession eines Bankiers. Er trennte sich von seiner Bank – Merck Finck & Co, als er seinen familiären und unternehmerischen Schwerpunkt in die Schweiz verlagerte. Die Charakterisierung „ökonomischer Kosmopolit mit Nationalgefühl“ trifft dagegen den Unternehmer und Staatsbürger August von Finck.

Als Liberaler engagiert gegen die politische Kopfgeburt Euro

Sein ökonomisches Weltbild orientierte sich an den großen österreichischen Liberalen des 20. Jahrhunderts, Friedrich August von Hayek (Wettbewerb als Entdeckungsverfahren) und Ludwig von Mises (Versagen sozialistischer Lenkungsversuche). Und hier begegnet uns August von Finck als Homo politicus. Er unterstützte daher diejenigen politischen Parteien und Personen, die in diesem Sinne handeln. Als ökonomischer Kosmopolit hatte er nichts gegen grenzüberschreitende politische Integration einzuwenden; der Unternehmer profitiert ja selbst davon, aber er ist ein Feind aller Versuche, durch Zentralisierung und Bürokratisierung das Schicksal von Ländern, die sich zur Zusammenarbeit bereit gefunden haben, bestimmen zu wollen.

Er teilt daher die Einstellung des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog, daß die Eliten die Europäische Union längst als entstehenden oder gar bereits weitgehend entstandenen Staat empfänden. Aber das sei nie so vereinbart gewesen und sei auch durch nichts demokratisch legitimiert, sagte der langjährige Bundesverfassungsgerichtspräsident in einem Interview mit der JUNGEN FREIHEIT (21/11). Genauso sah es Baron von Finck. Daher unterstützte er Personen und politische Gruppierungen bei ihrem Kampf vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die diversen Vertragsverletzungen, um die überdehnte Eurozone zu erhalten. Die gemeinsame Währung ist nicht aus dem Marktgeschehen erwachsen, sondern eine politische Kopfgeburt. Es ging den politischen Betreibern nicht darum, über eine gemeinsame Währung den Frieden in Europa zu sichern; sie wollten die an Geldwertstabilität orientierte Bundesbank entmachten. Den für die gemeinsame Währung notwendigen politischen Willen, nationale Interessen supranationalen Verpflichtungen unterzuordnen, hat es nie gegeben.

Es wird eine Begegnung zwischen August von Finck und einem der entscheidenden politischen Befürworter des Euro, dem früheren Finanzminister und CSU-Chef Theo Waigel, kolportiert: August von Finck warnte, der Euro gehe kaputt. Der neue Jahre jüngeren Waigel habe geantwortet: „Der Euro lebt noch, wenn Sie schon gestorben sind.“ Ja, es gibt den Euro noch, aber nicht weil er sich bewährt hat, sondern weil verdeckte monetäre Staatsfinanzierung und zwischenstaatliche Transfers ihn am Leben erhalten. Die etablierten Parteien wollen diese politische und ökonomische Realität nicht wahrhaben. Sie handeln weder im nationalen noch im europäischen Interesse. August von Finck dagegen dachte und handelte national und europäisch zugleich. 






Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom und war bis 2019 Abgeordneter des EU-Parlaments.

Foto: Baron August von Finck: Ein ökonomischer Kosmopolit mit Nationalgefühl