© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/21 / 10. Dezember 2021

Klima-Beamte rügen Verkehrsministerium
Bericht des Bundesrechnungshofs: Anhaltende Verschwendung bei der Haushalts- und Wirtschaftsführung / „Grüne“ Zielerfüllung angemahnt
Marc Schmidt

Anfang November listete der privat organisierte Bund der Steuerzahler (BdSt) in seinem 49. „Schwarzbuch“ erneut hundert Fälle der „öffentlichen Verschwendung“ auf (JF 47/21). Nur drei Wochen später legte der Bundesrechnungshof mit weiteren Fällen nach. Und wie im Vorjahr dominieren dabei die vier großen Bundesministerien für Finanzen, Soziales, Inneres und Verkehr. So blieb das bislang von Olaf Scholz (SPD) geführte nicht nur im Fall Wirecard oder bei den Cum-Ex-Geschäften merkwürdig passiv. Auch zuviel bezahltes Kindergeld in Höhe von fast einer Milliarde Euro wird über die Familienkassen nicht zurückgefordert. Passivität offenbarte das Ministerium des neuen Bundeskanzlers auch bei der Auswertung der „Panama-Papers“, den Scheinfirmen zur Steuerhinterziehung.

Dem Innenministerium von Host Seehofer (CSU) wird neben Beschaffungsproblemen eine mangelnde Kontrolle der Gehälter des Führungspersonals der politischen Stiftungen vorgeworfen. Überraschend ist das nicht: Die teilweise mit dreistelligen Millionenetats ausgestatteten Vereine haben an ihrer Spitze oft gescheitertes Parteienpersonal. Dem Arbeitsministerium wird teures Managementversagen mit der Folge der Bezahlung gebuchter, aber ungenutzter Teilnehmerkapazitäten bei Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitslose vorgeworfen. Auch bezüglich der fälligen Anpassungen der Vorschriften für die Bereitstellung und Verwendung des stetig steigenden Bundeszuschusses zur Rentenversicherung wird das Ressort des alten und neuen SPD-Ministers Hubertus Heil stark kritisiert.

Bundesbehörde verläßt die Ebene der neutralen Kontrolle

Noch umfangreicher sind die Kritikpunkte des Bundesrechnungshofs am Verkehrsministerium von Andreas Scheuer (CSU). So seien die Gewinne von Tochterunternehmen der bundeseigenen Deutschen Bahn AG nicht vollständig als Dividende an den Bund geflossen. Die für die Stromversorgung zuständige DB Energie GmbH habe ohne Widerspruch ein Privatkundengeschäft aufgebaut.

Die Auswahl an Themen in den „Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“ belegen erneut den Fleiß und eine gewisse Unerbittlichkeit der Beamten unter Behördenchef Kay Scheller, der bis 2014 Direktor der Unionsfraktion war. Und bislang war der Jahresbericht – im Gegensatz zu angeforderten Kontrollberichten zu einzelnen Themen wie der Energiewende (JF 16/21) – stets auf die Ermittlung fehlender Effizienz bei der Mittelverwendung ausgerichtet. Nun zeigt sich die verstärkte Neigung des Rechnungshofs, sich insgesamt auch als offizielles Prüfungsorgan der ordnungsgemäßen Umsetzung des politischen Willens der Bundesregierung zu begreifen.

Dies zeigt sich an einem umstrittenen Kritikpunkt bezüglich des Verkehrsministeriums. Einer der größten Fortschritte der Verwaltungsreformen der späten neunziger Jahre ist es gewesen, Reste bestimmter Budgets am Jahresende in andere Budgets für ähnliche Zwecke zu übertragen. Da die DB in einem seit 2007 laufenden Förderprogramm nicht in der Lage gewesen ist, die für Gleisanschlüsse auf dem Gelände von Wirtschaftsunternehmen bereitgestellten Mittel zu verwenden, setzte das CSU-Ministerium die Reste dieser Etats in den Bereichen Straßensanierung und Flughafenbeteiligung ein. Der Bundesrechnungshof kritisiert diese haushaltsrechtliche und angesichts des Zustands mancher Autobahn oder Bundesfernstraße mehr als angemessene Umwandlung von 124 Millionen Euro nun plötzlich als „klimafeindlich“, da den Umweltzielen der Großen Koalition widersprechend. Zudem wird das Verkehrsministerium aufgefordert, die haushaltsrechtlich korrekte Übertragungspraxis von Budgetresten nur noch zugunsten der angeblich klimafreundlichen Bahn anzuwenden.

Es steht zu befürchten, daß die neue Ampel-Regierung dieser Einmischung einer Kontrollinstanz in die politische Willensbildung und deren Umsetzung durch die Verwaltung bereitwillig folgen wird, da es in ihr politisches Kalkül der vermeintlichen „Klimaneutralität“ paßt. Die Folge eines solchen Handelns ist jedoch, daß es in Zukunft einer Kontrollinstanz für die Kontrollinstanz Bundesrechnungshof bedarf, denn dieser nimmt sich das Recht heraus, die Umsetzung eines allgemeinen politischen Primats des weiten Begriffs „Klimaschutz“ kontrollieren zu wollen und dabei auch korrekte Maßmahmen zu kritisieren, die vermeintlich den vagen „übergeordneten“ Zielen nicht dienen.

„Bemerkungen 2021 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“: www.bundesrechnungshof.de