© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/21 / 10. Dezember 2021

Kirchliche Dienstgemeinschaft und Ideologie der Volksgemeinschaft
Arbeitsrechtliches NS-Erbe
(ob)

Noch sind längst nicht alle dunklen Ecken ausgeleuchtet, um die bundesdeutsche Gesellschaft von noch unentdecktem „nationalsozialistischen Erbe“ befreien zu können. Dem pensionierten Pfarrer und einstigen EU-Parlamentarier der Linken Jürgen Klute (Herne) sei Dank, daß in diesem Kontext nun ein weiterer „skandalöser Sachverhalt“ ans Licht gekommen ist (Vorgänge, 1/2021). Der führt auf das nur scheinbar abseitige Feld des kirchlichen Arbeitsrechts. Denn mit 1,4 Millionen Beschäftigten haben sich die Kirchen zu dominanten Anbietern im Pflege- und Sozialsektor gemausert. Für diese stattliche Zahl von Arbeiternehmern gelte aber leider ein Sonderstatus, der ihr Streikrecht ausschließt. Begründet wird das mit dem protestantischen Konzept der „kirchlichen Dienstgemeinschaft“ einerseits, der katholischen Sozialethik andererseits. Demnach dürfe es in der Kirche keine tariflichen Machtkämpfe geben, weil alle ihre Mitglieder im Dienst Christi stünden. Obwohl dieser arbeitsrechtliche Sonderweg der Kirchen ihren Beschäftigten oft nicht schlechtere, eher sogar bessere Verträge garantiert, rät Klute ihnen, sich davon „zu emanzipieren“. Wurzele doch das Ideal kirchlicher Dienstgemeinschaft in der Ideologie der „Volksgemeinschaft“, wie sie sich 1934 im „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ rechtlich ausprägte. 


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